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Das Konzert mit dem WUM

MOZARTWOCHE / COE / TICCIATI

03/02/25 Ein Höhepunkt der Mozartwoche – vokal wie instrumental – war das Gastspiel des Chamber Orchestra of Europe unter der Leitung von Robin Ticciati gemeinsam mit dem singulären englischen Countertenor Iestyn Davies.

Von Heidemarie Klabacher

Den „Sonnenaufgang aus Musik“ in die Welt gebracht hat Haydn in der Schöpfung. Das Licht hinter diesem Licht – die göttliche Quelle – hat Händel aufgespürt: Eternal Source of Light Divine heißt die aus überirdischen Sphären herüber klingende Ode for the Birthday of Queen Anne. Es war tatsächlich „nur“ der Geburtstag einer Königin, über dem „göttliches Licht, doppelte Wärme und vornehme Pracht“ sich entfalten sollten: Aus dem zunächst kaum hörbaren und doch so präsenten Flirren und Gleißen der Geigen strömte der gefühlt eine Ewigkeit lang kontinuierlich aufblühende erste Ton von Stimme und Solotrompete. Trompete, wie man sie in solch klanglicher Brillanz und technischer Perfektion in keinem Ensemble oder Orchester inner- oder außerhalb der Mozartwoche je gehört hat. Der vollkommen natürlich strömende Stimmton des Countertenors Iestyn Davies verband sich mit dem ebenso delikaten Ton des Trompetensolisten des COE, Neil Brough, zum Licht über einer Welt, die nicht untergehen wird, so lang es Leute gibt, die sowas spielen und singen können. Damit die Rezensent(inn)en nicht abheben, folgte ein zackiges instrumentales Concerto aus Ottone, re di Germania, das wiederum attacca und mit nämlichen Furor in die virtuose Arie Presti omai l’egizia terra aus Giulio Cesare in Egitto mündete.

Da wiederholt der siegreiche Held eine ausgewachsene Bravour-Arie lang stur einen einzigen Satz (man möge ihm die Siegespalme reichen) mit unendlich vielen Facetten und Verzierungen. Faszinierend die stimmliche Wendigkeit des Countertenors Iestyn Davies (Händel-Spezialist, der auch einem Eric Clapton huldigt) in den atemberaubendsten Koloraturen. Diese Angriffigkeit und Wendigkeit bei größter Textverständlichkeit wird in der Wirkung höchstens noch überboten von der samtigen Geschmeidigkeit seiner Kantilene auf unendlich langem Atem. So kann es keinen effektvolleren Kontrast geben, als zwischen Caesars Macho-Gehabe und der stillen traurigen Arie des Bertarido Dove sei, amato bene aus Rodelinda.

Jede einzelne Nummer müsste in schier jeder Phrase und Wendung detailliert beschrieben werden. Lieber noch ein Kontrastpaar: Das verinnerlichte Gebet des Königs David zur konzertierenden Harfe O Lord, whose Mercies numberless aus dem Oratorium Saul und die übermütige Arie des Giulio Cesare Va tacito e nascosto mit obligatem Horn. Der namentlich nicht genannte Harfenist, der in seinem solistischen Nachspiel der Welt gezeigt hat, was ein Pianissimo ist, und der Hornist Benoît de Barsony zeigten exemplarisch, von welchem Kaliber diese  für das Orchestermusiker sind.

Robin Ticciati und das Chamber Orchestra of Europe: Sie befahren die musikalische See nun nicht explizit unter der Flagge „historisch informiert“ (Harnoncourt zählte einst zu den Mentoren des jungen Orchesters zählte). Fest steht, dass das COE unter Ticciati und der Countertenor Iestyn Davies am Samstag (1.2.) und einige Tage vorher die lautten compagney Berlin mit der Sopranistin Maria Ladurner und dem Tenor Martin Platz herausragende Lehrstücke zum Thema „Klangrede“ lieferten. Aufkleber wie „Originalklang“ oder Experten-Themen wie Saiten-Material und Mensur des Hornes sind nicht ausschlaggebend. Es gilt, die Musik beim Wort zu nehmen.

Tatsächlich schlagen Sprache bzw. Muttersprache bei den Vokalisten gewichtig zu Buche. Das zeigte zu Beginn der Mozartwoche der irrige Versuch, das im Original englische Händel-Oratorium Alexanderfest in der Mozart-Fassung von englischen Nativ-Speakern auf Deutsch singen zu lassen: Vertonter Text und seine Musik bilden eine offenbar nur auf eigene Gefahr zu trennende Einheit. Genau mit dieser Einheit von Musik und Text bestachen Robin Ticciati, das COE und Iestyn Davies. Nicht nur bei Händel! Die Fähigkeit von Dirigent und Orchester, auf Schlag und Augenblick die Stimmung um 180 Grad zu drehen, riss das Publikum im Großen Saal einmal fast im Wortsinn vom Hocker: Da schwebten in der rein instrumentalen Ballettnummer Le combat des songes funestes et agréables grad noch die Geister aus Alcina über Streicherflirren und Glöckleingebimmel Richtung Barock-Nirvana. Da ging es – WUMM und Donnerblech – auch schon hinein in Rezitativ und Arie mit obligatem Horn Vadasi... Oh ciel – Già dagli occhi des Farnace aus Mitridate, re di Ponto. Das war eine emotionale und klangrednerische Mozart-Achterbahnfahrt, von der die Erinnerung noch lange zehren wird.

Hörfunkübertragung am 11.3., 19.30 Uhr, Ö1 Ö1 KONZERT
Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher

 

 

 

 

 

 

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