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To be Bach … or not to be

CD-KRITIK / BWV … OR NOT?

19/02/18 Viele komponierende Kleingeister, die sich einen großen Namen übergestülpt haben, sind im Lauf der Musikgeschichte schließlich doch aufgeflogen. Mit „falschem“ Bach könnte man vermutlich noch mehr CDs füllen als mit Mozart unterschobenen Stücken.

Von Reinhard Kriechbaum

Hier liegt die Sache ein wenig anders. Die Geigerin Amandine Beyer, die ans eigene Spiel ebenso hohe Maßstäbe ansetzt wie an die Stücke, die sie einer Beschäftigung wert empfindet, hat für die CD „BWV … or not?“ eine ganze Reihe von Stücken gewählt, die auch deshalb im Werkeverzeichnis des Thomaskantors gelandet sind, weil sie ihm allemal zuzutrauen wären. Erst mit fortschreitender musikologischer Forschung und breiterer Repertoirekenntnis der Epoche sind Zweifel aufgekommen, die dann mehr oder weniger plausibel bestätigt wurden.

Ist es immer hilfreich, den Einklang von Entstehungszeit und Stil zu prüfen? So, wie Amandine Beyer das Adagio der Sonate für Violine und obligates Cembalo d-Moll seufzen lässt, würde man ob des „empfindsamen Stils“ taxfrei für Carl Philipp Emanuel Bach votieren – aber der war erst siebzehn Jahre alt, als diese Werkversion entstand. Hat womöglich doch der Vater, quasi incognito, mit der damals neuen Mode liebäugelt? Oder hat er das Stück des frühreifen Sohnes abgeschrieben? Wie auch immer – die viersätzige Sonate hält mit dem Largo noch einen weiteren höchst charismatischen Satz bereit hält und legt im sprungreichen Finale ebenfalls eher den hitzköpfigen Carl Philipp Emanuel als Autor nahe. Das erhaltene Manuskript stammt vom Vater. Vielleicht hat er die Noten auch nur angeschrieben, weil die Sonate so gut ist. Das Werk steht in beiden Werkverzeichnissen. Ob also BWV 1036 oder Wq 145/H.569: Wir haben lohnenswerte Musik vor uns.

Im Fall der Violinsonate A-Dur BWV 1025 hat man den Komponisten zweifelsfrei dingfest machen können: Bach hat eine Lautensuite seines Freundes Silvius Leopold Weiss umgearbeitet. Quasi als Respekt für den „echten“ Schöpfer erklingt auf der CD der Continuopart auf der Laute. Bei der vorangehenden BWV-Nummer ist die Sache deutlich weniger klar. Bach hat die Violinsonate c-Moll BWV 1024 wohl nicht geschrieben, aber die aktuelle Zuschreibung an Johann Georg Pisendel ist auch nicht ganz unumstritten.

Mit juvenilem Überschwang gehen Amandine Beyer und ihr Ensemble „Gli incogniti“ an die lebefrische Sonate für zwei Violinen und Basso continuo D-Dur BWV 1037: Glück für Johann Gottlieb Goldberg, von dem die quirligen Einfälle wirklich stammen, wobei die Ausführenden mit Respekt gebietendem Tempo noch effektsicher nachschärfen.

Johann Sebastian Bach, BWV … or not? Gli incogniti, Amandine Beyer (Violine). Harmonia mundi, HMM 902322 – www.harmoniamundi.com

 

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