Anna statt Cecilia

HÖRVERGNÜGEN / DON PASQUALE

29/05/20 Eine CD kaufen gehen? Geht jetzt wieder. Wir haben den Salzburger CD-Händler Andreas Vogl gebeten, unseren Leserinnen und Leser einige seiner Lieblings-CDs vorzustellen.
Heute empfiehlt er: Don Pasquale eingedenk der abgesagten Pfingstfestspiele als DVD aus der MET

Von Andreas Vogl

Was macht eigentlich den Erfolg von komischen Opern aus? Die Mehrheit des Publikums erfreut sich an den lustigen Figaro-Stücken von Rossini oder Mozart, lacht herzhaft bei diversen Szenen im Rosenkavalier und Don Giovanni. Die Tapsigkeit der Protagonisten, verzwickte Situationen und der Humor in der Musik sind immanente Bestandteile in Buffo-Opern des Belcanto und scheinen bis zu Verdis Falstaff von 1893 ein marketingartiges Erfolgsrezept gewesen zu sein. Kennen Sie aber eine repräsentative rein komische Oper des zwanzigsten, geschweige denn des 21. Jahrhunderts? Kann die Operette als Buffo gelten? Ist uns schon lange der Humor abhanden gekommen? Das wären Fragestellungen für einen größeren Aufsatz. Alessandro Baricco spricht in seinem philosophischen Buch Sterben vor Lachen von der „Organisation des Wahnsinns“ bei Rossini und vom kommunikativen Charakter in seiner komischen Musik.

Und wahrlich: Anders als die Wotane und Otellos, Salomes und Lulus, müssen die Interpreten von Buffopartien neben dem Sängerischen auch eine gehörige Portion Selbstironie und gewollte Ungelenkigkeit mitbringen.

Wenn die große Cecilia Bartoli eine komische Rolle angeht, nimmt man ihr diese, zum Beispiel die kecke Isabella in der Italienerin in Algier, 2018 bei den Pfingstfestspielen und nun auch auf DVD zu erleben, eindeutig ab. Groß war deswegen die Vorfreude auf ihre erste Norina in Donizettis Don Pasquale heuer. Premiere gewesen wäre heute Freitag (29.5.) im Haus für Mozart. 

Auch in Don Pasquale triumphiert eine Frau über die naive Geilheit der Männer, nutzt die Gunst der Stunde und emanzipiert sich humorvoll, wie das Aschenputtel in Cenerentola oder Alice Ford im Falstaff, aus scheinbar festgefahrenen Strukturen. Opern-Feminismus, wenn man so will.

Blickt man in den Katalog der verfügbaren Aufnahmen unter Don Pasquale, so stellt man verwundert fest, dass diese populäre Oper ein stiefmütterliches Dasein fristet: zwei Aufnahmen unter Riccardo Muti, einige DVDs aus früherer Mitschnitt-Geschichte und viel Historisches (u.a. neu erschienen bei PROFIL eine deutschsprachige Aufnahme mit Fritz Wunderlich und Erika Köth). Das war's.

Die lohnendste Interpretation hierbei scheint wohl die DVD aus der MET in New York zu sein: Otto Schenk versteht Situationskomik und Witz in der Musik perfekt zu inszenieren. John del Carlo gibt den Prototypen eines alten Lüstlings, Anna Netrebko als Norina und Mariusz Kwiecien als ihr Bruder stehlen ihm intrigant die Show und Matthew Polenzani überzeugt in tenoralem Schmelz als Ernesto. Die Pfingstfestspiele können unmöglich ersetzt, deren zentrale Oper kann zumindest im Wohnzimmer nachgehört werden.

Don Pasquale. Metropolitan Opera New York. Levine; Netrebko, del Carlo, Kwiecien, Polenzani. DG 0734635 DVD - erhältlich in der MyHomeMusic Lounge (Universitätsplatz 6) oder per Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!