Tönendes Festmenue

CD-KRITIK / CONCERTO KÖLN

24/02/23 Auf dem Cover prangt groß das Symbol für die Zahl Pi. Für Concerto Köln als Originalklangspezialisten geht es jedoch nicht um Mathematik. Sondern um einen Komponisten mit Pi. Mit Konzertmeisterin Mayumi Hirasaki gilt der Einsatz dem zu Unrecht im Schatten Bachs stehenden Johann Georg Pisendel.

Von Horst Reischenböck

Kurfürst Friedrich August I., der Starke, wusste um seine Bedeutung. Für ihn, der für die polnische Königskrone in den Habsburgerlanden zum Katholizismus konvertierte, ohne jedoch seine andersgläubigen Untertanen zu bekehren, gehörte Musik zur unverzichtbaren Repräsentation. War er doch auch Protektor der Zunft aller Trompeter in deutschen Landen, ein Instrument, einst allein der Verherrlichung Gottes und weltlicher Herrscher vorbehalten. Seine Residenz in Salzburgs Partnerstadt Dresden war in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine der Hochburgen europäischen Musiklebens. Dort wirkten der weit über die Landesgrenzen hinaus berühmte Hofkapellmeister Johann Adolph Hasse, dessen Openarien Johann Sebastian Bach etwas spöttisch „hübsche Liederchen“ nannte oder Kollege Nicola Porpora. Als Konzertmeister stand Johann Georg Pisendel (1687 – 1755) erstklassigen Musikern vor.    

Pisendel war ein Jahr lang Schüler von Giuseppe Torelli und hatte in Venedig Antonio Vivaldi kennen gelernt. Vivaldi war von Pisendels Können so angetan, dass er für ihn fünf Sonaten und sieben Violinkonzerte schrieb, dem Kursächsischen Hof und dessen Mitgliedern außerdem etliche weitere, dem Rang entsprechend klangprächtige Werke.

Nach Aussage seines Schülers Johann Joachim Quantz entwickelte Pisendel Vivaldis Konzerttypus im „deutschen oder vermischten Stil“ weiter. Das verdeutlicht auf der CD von Concerto Köln mit Mayumi Hirasaki nach einer prächtig auf Invenionshörnern geblasen anonym aus Böhmen stammenden Jagdfanfare das ebenfalls alla marcia zu spielende Konzert D-Dur. Ausgefeilter dünken Pisendels Orchesterritornelle mit paarweisen Hörnern, Oboen und Fagotten, garniert mit Pauken, zu denen Mayumi Hirasaki ihre virtuosen Soli explizit ausspielt.

Mayumi Hirasaki, als Prima inter pares für die Zusammenstellung verantwortlich, kam eigenen Worten nach beim Sichten im Archiv die Idee zu musikalischen „antipasti, primo und secondo piatto und dolci“. Dementsprechend folgt in dieser abwechslungsreichen Kost eine reine Streichersinfonie in c-Moll, die mit zwei ernstgestimmten Sätzen gut als barocke Sonata a chiesa durchgehen könnte.

Zwischen die Ersteinspielung zweier weiterer Violinkonzerte, intim eins in B-Dur, das retrospektiv Vivaldi reflektiert, und das andere, anschmiegsam zärtlich in Es-Dur, platzierte Hirasaki Pisendels Imitation des Caracteres de La Danse. Um diesem französisch inspirierten musikalischen Spaß – einer auf viereinhalb Minuten geballten tönenden Nachahmung von acht Tänzen – auch vom Temperament her zu entsprechen, absolvierte das hörbar gut gelaunte Concerto Köln sogar ein Tanz-Training!

In drei Sätzen einer weitern groß besetzt dreisätzigen Sinfonie in B-Dur präsentiert sich Pisendel als Wegbereiter zukünftiger Entwicklung. Mayumi Hirasaki lässt dem solcherart musikalisch aufgetischten Menue als gleichsam „Nachschlag“ virtuos noch eine Sonate in D-Dur folgen. Ein Desert! Dazu angetan ihr eigenes Können, aber auch die Continuo-Gruppe mit Barockcello, Theorbe und Cembalo ins Rampenlicht zu rücken. Einfach rundum anhörenswert!  

Johann Georg Pisendel: Concerti grossi, Sonatas & Sinfonias. Concerto Köln / Mayumi Hirasaki, Violine. BERLIN CLASSICS CD 03028088C
Am Samstag und am Sonntag (25. und 26.2.) spielt Concerto Köln bei Toujours Mozart in der Alten Residenz – www.toujoursmozart2023