asdf
 

Mit zerrißnem Herzen

CD-KRITIK / KAMMERORCHESTER BASEL / JACOBS

07/04/23 Christi Mutter stand mit Schmerzen bei dem Kreuz und weint von Herzen... Viele Komponisten vertonten die Sequenz vom Leid Mariae. Legendär ist Pergolesis Stabat mater. Joseph Haydns Version ist vergessen. Dürfte ihm selber zu langweilig gewesen sein. Er bat Sigismund Neukomm, Komponist und Spion, um mehr Bläserstimmen. Sie peppen das Werk gehörig auf.

Von Horst Reischenböck

Sigismund Neukomm, schräg gegenüber Mozarts Geburtshaus zur Welt gekommen, später zum Ritter geschlagen, ist auf Salzburger Konzerpodien so gut wie nicht präsent. Sogar der so penible Nikolaus Harnoncourt unterließ anlässlich seiner Festspiel-Aufführung von Haydns Kantate Ariadne auf Naxos den Hinweis, dass deren Orchesterfassung von Neukomm stammt. Der Ritter bearbeitete seinerseits Haydns Oratorium Die Schöpfung für Klavierbegleitung, kurz nach Drucklegung 1803 bereits in Wiener Privatsalons ausgeführt. Im selben Jahr animierte Joseph Haydn seinen Lieblingsschüler Neukomm dazu ein, sein mit Streichern, Fagott, Orgel Continuo, und zwei Oboen, alternierend mit Englischhörnern, besetztes Stabat Mater klanglich zu erweitern. Eine Aufgabe, der er sich offenbar selbst nicht mehr gewachsen fühlte.

Es entstand, gedanklich von sakralen Räumen gelöst, für den Konzertgebrauch ein lateinisches Oratorium, im Werkverzeichnis von 1805 dann so bezeichnet. Dazu gekommen waren Flöte, je zwei Fagotte, Hörner, Trompeten, Klarinetten (hatte es zum Zeitpunkt der Urgestalt noch nicht gegeben) sowie Pauken und drei Posaunen. Ähnlich hatte zuvor Wolfgang Amadé Mozart Georg Friedrich Händels Messias bearbeitet.

Ein nicht leicht zu bewältigendes Unterfangen, vornehmlich getragene Sätze – ausgenommen der Schluss Paradisi Gloria moll-durchtränkt differenziert und abwechslungsreich zu gestalten (ähnlich ist das Problem mit den Adagio-Sätzen der Sieben letzten Worten). Haydns Genie unterstützt jedenfalls Neukomms zusätzliche Bläser. Diese bringen nicht nur mehr Klangfarbe ein, sie akzentuieren dramatisch die dem Text entsprechende, meditative Melancholie. Für Kenner der Urgestalt ist das ungewohnt, bei erstem Hören möglicherweise sogar aufschreckend, verstörend.  

So sieht das auch der Dirigent René Jacobs, der vor aufrüttelnden dynamischen Momenten nicht zurückschreckt und die Tempi entsprechend anzieht. Diese fallen im Vergleich zu traditionellen Darstellungen durchwegs zügiger aus und werden vom Kammerorchester Basel präzise umgesetzt. Giovanni Antonini und ein Violone aus der Esterhazy-Stiftung sind bereichernd.

Das ebenso kenig agierende, vor dramatischen Ausbrüchen nicht zurückschreckende Gesangsquartett, bei dem Jacobs, auf stimmlichen Nachwuchs setzt, trägt zusammen mit der durchschlagskräftig agierenden Zürcher Sing-Akademie zur beeindruckenden Wirkung bei. Als Ganzes eine absolut sowohl hörens- und wie bedenkenswerte Alternative., speziell, um die Osterzeit emotional in sich wirken und weiterhin nachklingen zu lassen! 

Joseph Haydn: Stabat Mater Hob. XXbis Version 1803 mit erweiterter Bläser-Orchestrierung von Sigismund Neukomm. Brigitte Christensen Sopran. Kristina Hammarström Alt. Steve Davislim Tenor. Christian Immler Bass. Zürcher Sing-Akademie / Kammerorchester Basel. Dir.: René Jacobs. PENTATONE CD PTC 5186 953 

 

 

 

 

 

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014