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Vivaldi, neu oder generalüberholt

CD-KRITIK / VIVALDI / STREICHERKONZERTE

12/06/12 Nicht mal als Treppenhauswitz der Musikgeschichte ist unterdessen die Verirrung von Igor Strawinski einzuschätzen, der sinngemäß gesagt hat, Vivaldi habe immer ein und dasselbe Konzert komponiert – hunderte Male.

Mehr als ein dekorativer Einfall, auf dem Cover 18 unterschiedliche metallgegossene Türklopfer abzubilden. Es ist auch mehr als eine fantasiereiche Paraphrase auf das Motto „La Porta delle Muse“, das die Geiger Florian Deuter und Mónica Waisman mit ihrem Ensemble Harmonie Universelle für diese Blütenlese aus der Streicher-Konzertliteratur Antonio Vivaldis gewählt haben. Es ist mit Vivaldi eben wie mit den Türklopfern: freilich vor allem Löwenköpfe, aber eben nicht nur. Und die Ringe dienen auch einer Funktion, aber sie sehen im Einzelnen ganz unterschiedlich aus.

Heutige Aufführungspraktiker haben längst die Erfahrung, hinter den luziden Verknappungen Vivaldis das klangrednerische Potential aufzuspüren. Gleich in den ersten Takten auf dieser CD, im Eröffnungssatz der Sinfonia D-Dur RV 125, lässt der gar nicht aufdringliche, aber nachhaltige Umgang mit Lautstärkewerten aufhorchen. Da entstehen plötzlich unerwartet feine Orgelregister-Wirkungen, die über plumpe Echo-Effekte weit hinausgehen. Es ist übrigens eine Ersteinspielung auf CD, so wie die Konzerte für eine Violine in g-Moll RV 330 und für zwei Violinen in C-Dur RV 508.

Für Überraschungen ist Vivaldi immer gut, und die werden als willkommene Optionen mutig beim Schopf gepackt: Das eröffnende wirbelige Allegro des Violinkonzerts in d-Moll RV 246 (auch das eine Ersteinspielung) wirkt wie ein einziger machtvoller Crescendo-Sog, wogegen sich der Hörer dann wie alleingelassen fühlt in dem ausgedünnten, ausschließlich nach innen gerichteten Largo-Satz, einer zur Ruhe zwingenden Meditation.

Ein bisher wenig beachteter Umstand: Vivaldi hat einige Streicherkonzerte im Nachhinein bearbeitet und verknappt. Deuter und Waisman haben Striche aufgemacht (in den Konzerten RV 128, 138 und 157) und stellen diese also erstmals sozusagen in der spontanen Vivaldi’schen Original-Erfindung vor.

Eine besondere Pretiose hebt Florian Deuter als Solist mit dem Konzert in g-Moll RV 330. Da sind vor allem die Dialoge mit den Partnern immer für Überrumpelungseffekte gut. Und was das Dialogische angeht: Der Eröffnungssatz des Doppelkonzerts RV 508 rechnet zu den an Pointen reichsten Erfindungen, die uns Vivaldi hinterlassen hat. Deuter und seine argentinische Kollegin Waisman quirlen diese Musik mit immer neuem Widerspruchsgeist auf, ohne die Kontrolle über die innere Balance zu verlieren.

Antonio Vivaldi. La Porta delle Muse. Concerti & Sinfonie. Florian Deuter, Mónica Waisman (Violinen), Harmonie Universelle. Accent ACC 24266 - www.note-1.de

 

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