asdf
 

Das Herz in Bewegung setzen

CD-KRITIK / CARL PHILIPP EMANUEL BACH

03/04/15 Der zweitälteste Bach-Sohn komponierte, wie sein Vater auch, Passionen. Darüber hinaus schrieb er eine Reihe von nicht als solchen bezeichneten „Oratorien“ für die Karwoche. Eine alte Aufnahme unter Sigiswald Kuijken und eine neue unter Hartmut Haenchen.

Von Horst Reischenböck

Noch in Berlin, in Diensten Friedrich des Großen, hatte sich Carl Philipp Emanuel Bach mit „Gott hat den Herrn auferweckt“ Wq 244 an einer ersten Osterkantate versucht. In der Nachfolge seines Taufpaten Georg Philipp Telemann als „Director Musices“ in Hamburg oblag ihm die Aufgabe, alljährlich eine neue Passionsmusik auf einen der vier Evangelisten zu verfassen. Die meisten galten als verloren, bis das von den Russen nach dem Zweiten Weltkrieg nach Kiew verbrachte Archiv der Berliner Singakademie wieder entdeckt wurde.

Bekannt, wenn auch bis heute nicht mehr oft zu hören, blieben hingegen Carl Philipp Emanuel Bachs Passionskantaten. Übrigens leitete die erste Wiener Aufführung von „Die Auferstehung und Himmelfahrt Jesu“ Wq 240 niemand Geringerer als Mozart. Auf Geheiß von Baron von Swieten, der in diesem Werk ein Ideal sah, das er dann zusammen mit Joseph Haydn in dessen „Die Schöpfung“ zu verwirklichen gedachte.

Nicht ganz zehn Jahre vorher schuf Carl Philipp Emanuel 1769/70 mit „Die letzten Leiden des Erlösers“ Wq 233 ein ähnlich beeindruckendes Opus, mit dem seine Forderung, „Die Musik hat höhere Absichten, sie soll nicht das Ohr füllen, sondern das Herz in Bewegung“ setzen, für sich ähnlich Georg Friedrich Händel verwirklichte. Schließlich hatte er ja dessen „Messias“ nach der deutschen Erstaufführung in Hamburg später mehrfach selbst dirigiert.

Die Worte der Arien für die Kantate entnahm er dazu seiner eigenen, ein Jahr zuvor entstandenen Matthäuspassion, gedichtet von Anna Louisa Karsch. Mit zusätzlichen Rezitativen gestaltete sie eine oratorische Handlung, an der sich Carl Philipp Emanuels Geist zu größter Originalität entzündete. Nicht zufällig hat man zehn Monate nach dem Tod des Komponisten im Dezember 1788 gerade dieses Werk in Form eines Klavierauszugs zu seinem Gedenken veröffentlicht. Auf den ersten Einstieg in die Einleitungsmusik, in der noch die Tradition des Lamento-Basses durchschimmert, folgen ein einziger Choral, fünf Chorsätze (darunter in „Lasset uns sehen“ eine grandiose Doppelfuge als Beweis für das beim Vater erlernt kontrapunktische Können) und ein halbes Dutzend Arien. Demgegenüber stehen elf teilweise ariose Accompagnato-Rezitative, in denen zum Beispiel vom Verrat durch Judas erzählt wird.

Ehe sich das Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach auflöste, ging es im Vorjahr noch unter Leitung seines langjährigen Chefdirigenten Hartmut Haenchen mit diesem Stück auf Tournee. Auf CD zu haben ist ein Live-Mitschnitt vom Konzert zum 300. Geburtstag des Komponisten im März des Vorjahres aus dem Berliner Konzerthaus. Damit gibt es auch Vergleichsmöglichkeit mit der bis dato einzigen Einspielung durch La Petite Bande unter Sigiswald Kuijken von 1986.

Es ist der Beweis, dass es nicht unbedingt originaler Instrumente bedarf, um diese ausdrucksvolle Musik zu verwirklichen. Der RIAS Kammerchor wirkt dem Collegium Vocale Gent von damals mehr als bloß ebenbürtig, genauso wie das hier aufgebotene Quintett an Gesangssolisten. Hartmut Haenchen führt straff und dramatisch engagiert. Die Tenor-Arie „Wende Dich zu meinem Schmerze“ und das Duett beider Soprane „Muster der Geduld und Liebe“ hat er durchaus vertretbar kürzer gefasst.

Carl Philipp Emanuel Bach: „Die letzten Leiden des Erlösers“ Passions-Kantate Wq 233
Barbara Schlick und Greta de Reyghere, Sopran; Catherine Patriasz, Alt; Christoph Pregardien, Tenor; Max van Egmond, Bass, Collegium Vocale Gent, La Petite Bande, Dir.: Sigiswald Kuijken. 2 CDs deutsche harmonia mundi 7 54099 2 (früher EMI CDS 7 47753 8)
Christina Landshamer & Christiane Oelze, Sopran; Anke Vondung, Mezzosopran; Maximilian Schmitt, Tenor, Roman Trekel, Bariton, RIAS Kammerchor, Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach, Dir.: Hartmut Haenchen. 2 CDs BERLIN Classics 0300575BC

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014