HÖRVERGNÜGEN / SCHOSTAKOWITSCH / MÄKELÄ
24/07/25 D-S-C-H unter diesem Kürzel – den Buchstaben im Namen, die auch Noten sind – feiern die Festspiele Schostakowitsch anlässlich seines 50. Todestages. Heute Donnerstag (24.7.) eröffnen Igor Levit und Lukas Sternath die Reihe mit der Zehnten in der Bearbeitung des Komponisten für Klavier zu vier Händen. – Spanned zu hören ist eine Neueinspielung der Symphonien 4, 5 und 6 durch das Oslo Philharmonic Orchestra unter Klaus Mäkelä.
Von Andreas Vogl
Die besondere Musikalität des nicht mal dreißigjährigen Finnen kann nicht genug hervorgehoben werden. Er versteht er es, die Musiker im Orchester zu Höchstleistungen sowohl im Leisen Nachdenklichen als auch im emotionalen Ausbruch gut gesteuert anzuspornen – so der Live-Eindruck des Schreibers dieser Zeilgen nach dem dem triumphalen Festspieldebüt Mäkeläs am Pult des Oslo Philharmonic Orchestra. DrehPunktKultur etwa schrieb: „Mäkelä, immer auf dem Sprung, hielt klug die Balance zwischen Legt's los und Aufgepasst jetzt.“. Das gilt vor allem für die zwischen Resignation und voller Power austarierten Sinfonien von Dmitri Schostakowitsch.
In einer neuen Aufnahme widmet sich Mäkelä dem mittleren Schaffen des Komponisten bzw. den großen Sinfonien kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Die Fünfte Symphonie entstand 1936-37 unter dem Eindruck des Stalinistischen Terrors. Schostakowitsch befand sich auf der Krim und fing dort mit den ersten drei Sätzen an. Der letzte Satz, dieses fulminante scheinbare Loblied auf das Regime ist wohl kein Triumphmarsch, sondern eher Todestribunal. Schostakowitschs Schwester wurde nach Sibirien deportiert. In seinen Memoiren erläutert er: „Jubeln sollt Ihr! Und der geschlagene Mensch erhebt sich, kann sich kaum auf den Beinen halten (…) Man muss schon ein kompletter Trottel sein, um das nicht zu hören“.
Doch zuvor entstand noch die Vierte Symphonie, 1934 begonnen, jedoch erst 1961 uraufgeführt. Schostakowitsch zog das Werk zunächst zurück. Es gilt als eines seiner sonderbarsten sinfonischen Werke, für mich eines der spannendsten, vielschichtigsten und leider sehr selten aufgeführt. Vielleicht aufgrund seiner immensen Besetzung oder, vielleicht eher, wegen seiner wenig durchschaubaren, dabei aber umso faszinierenderen Struktur. Während der Konzeption und Niederschrift kam der Verriss seiner Oper Lady Macbeth von Mzsenk und die Ächtung im Aufsatz „Chaos statt Musik“.
Die Repressionen für Schostakowitsch stiegen und er war sich unsicher, wie diese neue Sinfonie vor allem auf Stalin und das Regime wirken würde. Es kam erst 1946 nur zu einer vierhändigen Bearbeitung, gemeinsam mit Mieczyslaw Weinberg am Klavier gespielt. Kirill Kondrashin hat dann 1961 eine rekonstruierte Fassung – das Originalmanuskript ging im Krieg verloren – uraufgeführt. Schostakowitsch zitiert die „Internationale“ oder Gustav Mahlers Lied Des Antonius zu Padua Fischpredigt. Er nimmt überhaupt Mahler als Vorbild und geht formal und mit der Instrumentierung total andere Wege. Jeder, der Schostakowitsch verehrt, wird sich mit der Vierten als unerhört mutigem und ohrenöffnendem Werk auseinandersetzen und es schätzen lernen. Mäkelä und das Oslo Philharmonic Orchestra tun dies mit mysteriöser Feinfühligkeit – hervorgehoben sei der beklemmende Schluss der Sinfonie, der unheilvolle Zeiten heraufbeschwört – sowie mit vehement-grotesker und atemberaubender Stringenz in den brutalen Forte-Stellen.
Es folgt die Sechste Sinfonie von 1939, wieder formal total anders gestaltet. Lyrischer, weniger aggressiv als noch die bedrohliche Fratze der Fünften. „Ich wollte dies in die Stimmungen von Frühling, Freude und Jugend vermitteln“, so Schostakowitsch. Der erste Satz, das Largo, verharrt nachdenklich fast zwanzig Minuten, wälzt und windet sich zaudernd sinnierend dahin, gefordert sind vor allem die Holzbläser in diesem Werk. Der letzte Satz, ein rasanter Presto-Galopp, rief bei der Uraufführung derart Begeisterung hervor, dass er wiederholt werden musste.
Insgesamt beweist dieses 2-CD Album bei Decca, wie unglaublich klanglich geschult und noch immer einst von Mariss Jansons – Chef von 1979 bis 2002 – geprägt das Oslo Philharmonic Orchestra mit Schostakowitsch’ Musik umgehen kann. Die Werkauswahl von Klaus Mäkelä mit der allseits bekannten und beliebten Fünften zwischen der fesselnd-spannungsreichen Vierten und der verhalten-tiefsinnigen Sechsten ist intelligent getroffen und kann aktueller und zeitgeschichtlich relevanter kaum sein. Kultur und Politik, ein Naheverhältnis von steter bedeutender Aussagekraft und Problematik.