Wonne und Schmerz

MOZARTEUMORCHESTER / RICCARDO MINASI

13/12/19 „Dass er einmal als Leiter vor einem der besten Orchester Europas stehen würde, hätte er selbst nie gedacht“, sagte Riccardo Minasi jüngst in einem Interview. Ihm gelingt es, mit dem Mozarteumorchester unkonventionelle anregende Konzerte zu programmieren - wie etwa das Konzert am Donnerstag (12. 12.) im Großen Saal des Mozarteums mit der US-Mezzosopranistin Kate Aldrich.

Von Horst Reischenböck

„Von den Wonnen und Schmerzen“ war das Motto des Abends, in dessen Fokus die Weiblichkeit stand – freilich ganz aus der Sicht romantischer Komponisten. Carl Maria von Webers Ouvertüre zur selten gespielten Oper Euryanthe war dazu prachtvoll glänzende Einstieg. Den verinnerlichten Mittelteil spielte lediglich ein Quartett erster und zweiter Geigen - subtil und gänzlich ohne Vibrato.

Zwischen China und Türkei machte das Abendland musikalisch keine Unterschiede: Da führt die Linie von Christoph Willibald Glucks Le Cinesi direkt zu Webers Bühnenmusik für Turandot mit ihrem Bläser-gepanzerten Trauermarsch samt Janitscharen-Schlagwerk. Das reizvoll pentatonische Thema borgte sich Weber aus Jean-Jacques Rousseaus Dictionnaire de musique

Eine Gedanken-Verbindung zu Richard Wagner war danach gar nicht so abwegig: Eines der wenigen Werke, denen die Wagner nicht eigene Worte zugrunde legte, ist der Zyklus von fünf Klavierliedern auf Gedichte von Mathilde Wesendonck. Diese symbolreich symbolistischen Texte enden gedanklich todessehnsüchtig in der Gruft. Hans Werner Henze hat vor gut vierzig Jahren eine differenziert ausgeleuchtete Fassung des ursprünglichen Klavierparts für Kammerorchester erstellt. Die amerikanische Sopranistin Kate Aldrich hatte zunächst im Lied Der Engel noch ein wenig mit Felix Mottls klanglich weitaus kompakter tönenden Orchesterbegleitung zu kämpfen, ehe sie sich  stimmlich vollendet verinnerlicht den abschließenden Träumen ergab.

Felix Mendelssohns Eindrücke seiner Schottland-Reise, in seine Hebriden-Ouvertüre verpackt, pulsierte perfekt von den wogenden Meereswellen der satten Streicher ausgehend in strahlend schwungvoll vorwärtsdrängende Bläserklänge hinein. Das war quasi ein „Vorspiel“ zum absoluten Höhepunkt des Abends: Hector Berlioz‘ phänomenal für damalige Zeiten absolut unkonventioneller Umsetzung von Pierre-Ange Veillards Text La Mort de Cleopâtre: Für den gebürtigen Römer Riccardo Minasi ein Herzensanliegen. Er führte das Mozarteumorchester durch alle tönenden Feinheiten der Partitur - bis hinein in die immer schwächer pulsierenden Herzschläge der Königin, die im Sterben nicht mehr singen kann. Kate Aldrich, durch die einkomponierte Bühnendramatik inspiriert, realisierte das Monodram durch alle Register hindurch stimmlich grandios.

Bilder: www.zemskygreenartists.com (1);www.harrisonparrott.com (1)