Der Traum vom fleckigen Hemd

HINTERGRUND / PAUL HOFHAYMER GESELLSCHAFT

29/09/21 Mittelalterliche Schwärmerei und moderner Beziehungsk(r)ampf. Heilige Träume und wohlgestaltete Mädchen... Die „Salzburger Festtage alter und neuer Musik“ vom 1. bis 3. Oktober bringen historische und zeitgenössische Musik für Stimme und Instrumente. Künstlerinnen und Künstler aus dem In- und Ausland präsentieren in fünf Konzerten zeitgenössische und frühe Musik und Literatur.

Von Heidemarie Klabacher

Der Percussionist Philipp Lamprecht ist der künstlerische Leiter der Internationalen Paul Hofhaymer Gesellschaft und Gestalter des neuen Festivals. Eröffnet werden die „Salzburger Festtage alter und neuer Musik“ am Freitag 1. Oktober spät Abends im Toihaus mit der Uraufführung eines neuen Werks von Herbert Grassl: Dunkles zu sagen ist ein Liederzyklus mit Gedichten und Texten aus dem Briefwechsel Ingeborg Bachmann – Paul Celan für Flöte, Horn, Schlagzeug, Violine, Violoncello, Alt, Countertenor und eine Sprecherin nach einer Idee von Elmar Locher. „Der Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann (1926-1973) und Paul Celan (1920-1970) gehört zu den wichtigsten

Zeugnissen der deutschen Nachkriegsliteratur.“ Die Briefe vereinigten „die dramatischen Stimmen zweier Liebender mit unterschiedlichen dunkeln Vergangenheiten“, Opfer – Täter, die einander verfehlen, einander schreiben, die die Differenz durch Spracharbeit in einen nicht enden wollenden Dialog setzen. „Es gibt Momente des Schweigens, erregtes Wiederaufnehmen der Beziehung über die Verletzungen hinweg. Es gibt das konstante Festhalten am Werk des anderen, für das Bachmann früher, Celan später einsteht.“

Das schreibt Elmar Locher, der den Komponisten zu diesem Stück inspiriert hat. „Und dann das Schweigen, das ohne Sprache lauter spricht als diese es je und jäh vermöchte. Sprache zurückgenommen in die Auslassung. Gesangspassagen wechseln sich ab mit der Erzählstimme, der rezitierenden. Instrumentalpassagen versuchen dem Sprachlosen Sprache zu geben...“ Es musizieren das Hofhaymer Vokal - und Instrumentalensemble mit Bernadette Furch (Alt), Bernhard Landauer (Countertenor), Vera Klug (Flöte), David Fliri (Horn), Philipp Lamprecht (Schlagwerk), Anna Lindenbaum (Violine), Dieter Nel (Violoncello) unter der Leitung von Kai Röhrig, es rezitiert Bettina Rossbacher.

Am Samstag 2. Oktober geht es in der St. Erhard Kirche im Nonntal unter dem Titel Contemporary Encounters weiter mit Musik von Ruth Alon, Sabine Wüsthoff, Yonghee Kim, Shara Nova, Luca Lombardi, Helmut Jasbar, Michael Em Walter, Vito Palumbo und Hugo Wolf (von ihm die Lieder Das verlassene Mägdlein und Nixe Binsefuss im Arrangement von Laurence Servaes). Es singen und spielen das Vokalensemble meZZZovoce mit Alice Lackner, Anna-Luise Oppelt und Katharina Heiligtag, sowie das El Cimarrón Duo mit Christina Schorn-Mancinelli (Gitarre) und Ivan Mancinelli (Marimba). Auf dem Programm steht auch die Uraufführung eines Werks von Oscar Jockel.

Am selben Abend lädt das Ensemble Mönch von Salzburg mit Philipp Lamprecht (Perkussion, Gesang), Cordula Stepp (Gesang, Portativ), Anne-Suse Enßle (Blockflöten, Harfe), André Hinderlich (Sprecher) unter dem Motto Wünsche und Träume zu einer „Mittelalterlichen Schwärmerei“ ins Literaturhaus. „Im achten Jahr der Gesamtaufführung der Werke des Mönchs von Salzburg angekommen, bringt das Ensemble zwei Wünschelieder des Mönchs zur Aufführung. Beide Minnelieder sind Beispiele der kunstfertigen Melodiegebung des Salzburger Mönchs, dessen Anonymität immer noch nicht aufgedeckt wurde und bei dem auch noch nicht restlos von einem einzigen Autor ausgegangen werden kann“, sagt Philipp Lamprecht. Weiters erklingen Walther von der Vogelweides berühmtes weltliches Traumlied, sowie die altnorwegische religiöse Weise des Olaf Åsteson. Auch hier gibt es eine Uraufführung: „Simone Fontanelli vereint in seiner Komposition Den Schmerz zu heilen mehrere Texte des Mönchs, die im Miteinander der Instrumente und der Stimme zu rituell-mystischen Klängen verschmelzen.“ Hübsch, das Gedicht, dessen Worte dem ABC folgen:

Ave, Balsams Creatur,
Du Englische Figur,
Got Hat Jn Keuschlichem Lob
Mariam Naturem Ob;
Prich Qual, Ruff Sündlichen Toren
Vnd Wend Xpisto Ymmer Zoren

Am Sonntag 3. Oktober geht es unter dem Titel J’ay pris amours bei einer Matinee im Literaturhaus weiter - mit Poetik aus der Zeit des Buxheimer Orgelbuchs. Es spielt das Ensemble Siderea Musica Charlotte Sophie Nachtsheim (Sopran und gotische Harfe), Johanna Bartz (Mittelalterliche Traverso und Knochenflöte) und Robert Selinger (Organetto). Die Uraufführung dieses Vormittags ist ein Stück von Alexander Ludwig Bauer. „Mit einer zeittypischen und besonders farbenreichen Besetzung erkundet das Ensemble Siderea Musica die Klangräume des Buxheimer Orgelbuchs neu und macht sie kreativ für sich nutzbar“, erklärt Philipp Lamprecht. „Dabei werden europaweit Verbindungen zu anderen Codices geschaffen, und ein Auftragswerk des Komponisten Alexander Bauer setzt einen zeitgenössischen Akzent.“

Das Festival schließt Sonntag abends in der Erhard Kirche mit Mittelalterliche Musik von Notker Balbulus bis Guillaume de Machaut, also mit Musik vom 9. bis zum 14.Jahrhundert: Das Ensemlbe Candens Lilium mit Christine Mothes (Christine Mothes (Gesang), Tobias Schlierf (Gesang, Symphonia, Fidel), Norbert Rodenkirchen (mittelalterliche Traversflöten, Montecassino – Laute und Harfe, präsentiert „seltene mittelalterliche Sequenzen, Epengesänge und Lieder quer durch die Jahrhunderte des Mittelalters von der karolingischen Zeit bis zur sogenannten Ars Nova“, erklärt Philipp Lamprecht.

Und der Traum vom fleckigen Hemd? Das ist ein Auszug aus dem Annolied. Darin durfte der Heilige Anno sich nicht auf einen goldenen Stuhl setzen, weil die Fürsten auf seiner Brust einen Fleck bemerkt hatten: „Drum hat Christus dir diesen Traum gezeigt, er verheißt dir Ehren und bleibt dir geneigt“. Es begann nun Anno leid zu werden, dass er wieder zurück musste zur Erden. Es war jetzt also mit ihm bewandt, dass er gern wär´ geblieben im göttlichen Land.“

„Salzburger Festtage alter und neuer Musik“ vom 1. bis 3. Oktober - www.hofhaymer-society.at - hier das Programmheft zum Download
Bilder: www.hofhaymer-society.at