Salzburgs einstige musikalische Netzwerke

BACHGESELLSCHAFT / MÜLLN

16/08/22 Am Abend jenes Tages, da im Salzburger Dom eine junge Dame zur ewigen Jungfrau geweiht wurde, gab's – wie jedes Jahr zu Maria Himmelfahrt (15.8.) – in Mülln ein Konzert der Bachgesellschaft mit viel Musik an die Adresse der jungfräulichen Gottesmutter. Ein Marienlob vom Feinsten.

Von Horst Reischenböck

Die Pfarrkirche Mülln ist zu diesem Anlass stets sehr gut besucht. Heuer bot man interessante Einblicke in Salzburger musikalische „Netzwerke“ zu früheren Zeiten. Allein Ende des Jahres 1766 lieferte Wolfgang Amadé Mozart drei Messkompositionen ab. Nicht alle davon sind heutzutage regelmäßig in Gottesdiensten zu hören, sei’s im Dom, in der Franziskanerkirche oder in St. Peter. Eher seltener begegnet man der mittleren dieser Dreiergruppe, Piccolomini- oder auch Spaur-Messe betitelten in C-Dur KV 258. Vom Typus her – beispielsweise in Sanctus und Benediktus – ist sie so lapidar kurz gehalten, wie vom letzten regierenden Salzburger Fürsterzbischof gewünscht. Was Wolfgang Padre Martini gegenüber bemäkelte: Colloredo wolle trotz gesamt vertontem Text in maximal einer dreiviertel Stunde fertig sein. Zeit genug für eine Andacht?

Die Bachgesellschaft bot abwechslungsreiche anderthalb Stunden, in denen sie das klingende Umfeld mit dem unterschiedlichen Können der damaligen Protagonisten in Erinnerung rief und damit auch wieder zur Diskussion stellte. Schlummern doch hierorts in den Archiven durchaus noch Schätze, die darauf warten, gehoben und – vor allem – aufgeführt zu werden.

Beispielsweise die wohl erste geistliche Komposition eines gewissen „Heiden aus Wien“ für Salzburg, der – nachdem im Schloss Mirabell Tafelmusik von ihm erklungem war – auch prompt hierorts angestellt wurde. Michael Haydns Regina coeli MH 80 beweist schon früh sein Können im vokalen Metier. Erst jüngst wurde diese Notenhandschrift dem einstigen Eigentümer, dem Kloster Michaelbeuern, refundiert. Diesem Stift gehört auch die Hälfte vom Müllner Bräustübl. Fügt sich alles eins in andere, Michael Haydn war einem guten Schluck ja nicht abgeneigt. Darüber mokierte sich einst Leopold Mozart.

Des Salzburger Haydn ausgefeilter Kirchenstil wurde nach dem Gloria der Messe im Audi filia MH 357 und Virgo prudentissima MH 635 evident. Michaela Aigner spielte Mozarts eigentlich an dieser Stelle vorgesehene die Epistelsonate (jene in C-Dur KV 336) stattdessen vor dem Agnus Dei. Die Organistin hatte schon zu Beginn Vater Leopold Mozarts Vorgesetztem Johann Ernst Eberlin mit dessen Toccata Secunda virtuos Reverenz erwiesen. Dergleichen mochte Wolfgang später in Wien nach Kenntnis von Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel im Vergleich zwar nur als „langgezogene Versettln“ beurteilen. Aus heutiger Sicht sind das aber lohnenswerte, absolut interessante Stücke.

Des Schwiegersohnes von Eberlin, Johann Cajetan Adlgasser, gedachte man dem Anlass gemäß mit einer relativ kompakten Litaniae Lauretanea AWV 3.05. Und man entließ die sichtlich beglückten Hörer dann mit einer absoluten Rarität, dem kurzen Stella coeli extirpavit Nr. 11 von Michael Haydns Schwiegervater Franz Ignaz Lipp.

Dirigent Michael Schneider engagierte sich für all das mit dem neunköpfigen Salzburger Barockensemble und dem Collegium Vocale der Salzburger Bachgesellschaft, aus dem sich besonders die Sopran-Solistinnen Bettina Meiners, Marcia Sacha und Elisabeth Watzl mit ihen Koloraturen sowie die beiden Tenöre Christian Giglmayr und Virgil Hartinger abhoben. Eine würdige Feier.

Bild: dpk-krie