Was kostet ein Kilo Hornist?

HINTERGRUND / FAIR PAY

04/03/24 „In der Kulturbranche reden viele von Fair Pay – aber was bedeutet das eigentlich genau? Was bedeuten die Mindesthonorarempfehlungen für mich als Musiker:in und Unternehmer:in? Wo finde ich weiteführende Informationen und an wen kann ich mich wenden?“ Der Österreichische Musikrat und mica-music austria haben eine Kalkulationshilfe entwickelt.

Von Heidemarie Klabacher

Am Anfang steht die Exel-Tabelle. Der Österreichische Musikrat und mica-music austria haben diese Tabelle „als eine Kalkulationshilfe entwickelt, die zur Unterstützung bei der Projektplanung und als Grundlage für Fördereinreichungen insbesondere für die Berechnung von Personalkosten verwendet werden kann“, heißt es auf der Website von mica. Zur Kalkulationshilfe gehören auch Vorschläge für Honorarsätze auf Fair-Pay-Grundlage. Die Mindesthonorarempfehlungen bzw. Honorarspiegel für den Musikbereich in Österreich seien von der IG Freie Musikschaffende IGFM, der Musikergilde, dem Österreichsichen Musikrat ÖMR, dem Österreichischen Gewerkschaftsbund/younion, der Austrian Composers Association und der Plattform Musikvermittlung Österreich PMÖ erarbeitet worden. So heißt es im Text FAIR PAY – Mindesthonorarempfehlungen für den Musikbereich auf der mica-Website.

Neben dem Link auf die – fix und fertig vorbereitete – Berechnungstabelle, gibt es branchen-spezifische Erläuterungen zu den drei Bereichen Pop/Rock/Elektronik, Jazz/Global und Neue Musik/Klassik. Danach kommen jeweils die konkreten „Mindesthonorarempfehlungen für Musiker:innen“ mit Rechnungsbeispielen.

Beispiele gefällig? Als „Mindesthonorare für musikalische Arbeit im Orchester empfiehlt die IGFM eine „Honoraruntergrenze von 114,- Euro pro Probedienst“ sowie eine Honoraruntergrenze von 228,- Euro pro Konzertdienst“. Als „Mindesthonorare für musikalische Arbeit in kleinem Ensemble bis zu ca. 6 Personen“ werden empfohlen „Probeeinheit: 190,- Euro“ und „Konzerteinheit: 380,- Euro“. Akribisch ist die Tabelle mit „Mindesthonorarempfehlungen für Komponist:innen“: Für Werke zwischen einer und zehn Minuten Spieldauer für zwei Instrumente werden „ab 2000 Euro“ Honorar vorgeschlagen (mehraufwand ist immer möglich, daher „ab“. Dauert das Stück über eine Stunde liegt die Berechnung schon bei „ab 7.100 Euro“. Ein Werk Großes Sinfonieorchester unter zehn Minuten Spieldauer schlägt im Idealfall für die Komponistin mit 6200 Euro zu Buche, Werke zwischen dreißig Minuten und einer Stunde sollten mit 8600 Euro honoriert werden. Dauert das große Symphonische Werk über eine Stunde sollten es „ab 18.600 Euro“ sein.

„Wer sich die empfohlenen Mindesthonorare ansieht, könnte zunächst auf den Gedanken kommen, dass ein Honorar von 370 Euro für einen einzigen Auftritt von einer Dauer von ein bis zwei Stunden schon einen satten Stundenlohn darstellt“, heißt es in den Erläuterungen zum Bereich Neue Musik/Klassik. „Sieht man jedoch etwas genauer hin, ist rasch ersichtlich, dass der Arbeitsaufwand, um überhaupt an Auftritte zu kommen, um ein Vielfaches höher als die reine Dauer des Konzerts ist.“

Man wolle aufzeigen, so die Verfasserinnen und Verfasser, „dass der tatsächliche Stundenlohn wesentlich mehr Arbeitsstunden abdecken muss, als nur die Zeit für die Aufführung“. Es ist wohl tatsächlich nicht allen Musikfreunden bewusst: „Freie Musikschaffende verfügen nicht über eine Anstellung und in den meisten Fällen auch nicht über regelmäßige Einnahmen durch regelmäßige Auftritte. Das bedeutet, dass zur musikalischen Tätigkeit auch die Arbeit erbracht werden muss, sich um Aufträge zu kümmern – etwa Netzwerkarbeit, die zeitaufwendig und nicht von vornherein mit Erfolg gekrönt ist.“ Dazu gehöre, wie für jeden anderen Freiberufer auch, „sich um Versicherung, Buchhaltung und diverse organisatorische Tätigkeiten kümmern, die oft einen nicht unwesentlichen Teil der Arbeit ausmachen“. Weitere Kosten, die durch die Honorare abgedeckt werden müssen, bestünden in der Anschaffung „der teilweise sehr teuren Instrumente und des technischen Equipments“. Übungs- bzw Proberäume müssten von freischaffenden Musikerinnen und Musikern selbst angemietet oder Noten angeschafft werden: „Egal in welchem Genre man sich bewegt, beginnt die Arbeit dafür bekanntlich nicht mit dem Konzert.“ – Dies waren also  Überlegungen zum „Administrativen“, ohne die auch künstlerische Arbeit nicht auskommt.

In einem eigenen Schritt behandeln die Verfasser darauf „die tatsächlich musikalischen Tätigkeiten, deren Ausmaß für ein Konzert von Fall zu Fall sehr variieren könne“. Wir bleiben, aus Gründen der Vertrautheit, beim Bereich Neue Musik/Klassik. „Geht es um Stücke im Bereich der klassischen oder Neuen Musik, die die Musikerinnen und Musiker noch nicht in ihrem Repertoire haben, ist sowohl das Üben als auch das Proben sehr aufwändig.“ Für Stücke der Neuen Musik könne es zudem notwendig sein, „dass neue Spieltechniken erlernt und eingeübt werden müssen, was einen bedeutenden Mehraufwand beim Üben darstellt, der durch das Honorar abgedeckt werden muss“. Auch die Proben sollten entgeltlich stattfinden. Ein Probendienst dauert üblicherweise drei Stunden und inkludiere eine Pause.

Es folgt eine Musterrechnung: „Nach dem angegebenen Satz ergibt das beispielsweise bei einer Aufführung und drei Proben ein Honorar von 470,80 Euro. Bei einem Aufwand von 9 Stunden für Proben und 2 Stunden für den Auftritt, ergibt sich ein Brutto-Stundenlohn von 42,80 Euro, wovon nach Abzug von Steuer und Sozialversicherung rund 50 Prozent und damit ca. 21 Euro übrigbleiben.“ Weiter heißt es auf der Website von mica-Music Austria: „Rechnet man allerdings auch noch den Zeitaufwand für das Üben, Administration, Instrumentenkauf etc ein, liegt dieser Stundenlohn noch um einiges darunter. Als weiterer Aspekt ist zu beachten, dass viele neue Werke aus diversen Gründen oft nur eine einzige oder wenige Aufführungen erleben. Ins Repertoire hingegen schaffen es viele Werke nicht.“

Bedacht werden müsse weiters, „dass Musikschaffende von der Auftragslage abhängig sind und sich die Proben und Aufführungen der unterschiedlichen Ensembles oder Orchester, in denen eine einzelne Musikerin bzw. ein einzelner Musiker tätig sein muss, nicht überschneiden dürfen“. Es lasse sich also erahnen, fassen die Experten zusammen, „dass es selbst bei Einhaltung der Honoraruntergrenzen für Musikschaffende nicht einfach ist, ihren Lebensunterhalt davon zu bestreiten“. Dass diese Honoraruntergrenzen oft weit unterschritten werden, mache deutlich, „warum zahlreiche Musikschaffende selbst bei guter Auftragslage und zeitlicher Auslastung unter teils äußerst prekären Bedingungen leben“.

DrehPunktKultur dankt seinem Kooperationspartner Mica Austria. Der gesamte Text „Kalkulationshilfe für faire Bezahlung“ mit Kalkulationshilfen und Informationen ist nachzulesen auf – www.musicaustria.at