asdf
 

Aus russischen Seelen

MOZARTEUMORCHESTER / CHANG

20/01/25 Das Mozarteumorchester widmete seine dritte Sonntagsmatinne Tschaikowsky und Schostakowitsch zusammen mit zwei Debütanten. Gastdirigentin war die Süd-Koreanerin Han-Na Chang, Solist der armenische Spitzengeiger Sergey Khachatryan.

Von Horst Reischenböck

Der junge Geigenvirtuose, längst geadelt als Sieger des Sibelius-Wettbewerbs wie des Concours Reine Elizabeth, präsentierte sich mit dem populärsten aller romantischen Violinkonzerte aus Russland – nämlich dem Opus 35 D-Dur von Pjotr Iljitsch Tschaikowsky.

Versucht, Caesars Veni, vidi, vici zu strapazieren: Genau dies gelang Sergey Khachatryan mit einer mehr als bloß eindrucksvollen Darstellung. Zunächst der durch die Dirigentin Chang klar und bestimmend formulierte Orchestereinstieg ins Allegro moderato. Dann ließ Sergey Khachatryan, neben dem perfektem Ausreizen des Solos, immer wieder mit seiner berückend dynamischen Reduktion in den lyrischen Momenten aufhorchen. Im gleichen Geist trug ihn das Andante der Canzonetta berührend weiter, ehe er sich ins abschließende Allegro vivacissimo stürzte.   

Zugaben standen danach außer Frage. Vorerst ein Satz aus dem vor gut hundert Jahren entstanden raren halben Dutzend Sonaten pour violon solo op. 27 des Belgiers  Eugène Ysaÿe, getragen von gleichem leidenschaftlichen Ansatz, sowie verhalten, verinnerlicht die Melodie eines Volkslieds aus Khachatryans Heimat Armenien.

Nach dieser ersten Stunde galt der Einsatz des nunmehr in voller Besetzung auf dem Podium des Großen Festspielhauses angetretenen Mozarteumorchesters Dmitri Schostakowitschs Symphonie Nr. 10 e-Moll op. 93, seinem persönlichsten Beitrag zur Gattung. Das Werk ist voller Anspielungen, nicht bloß zuletzt mit dem von der Pauke gehämmertem Triumph über Stalins Schatten, der ihn verfolgte. Motiv sind Schostakowitschs eigene Initialen d-es(=s)-c-h. Er bediente sich ihrer auch in anderen Kompositionen, vom ersten Violinkonzert über das ebenfalls autobiografische achte Streichquartett bis hin zur letzten Sinfonie, der Fünfzehnten.

Abgesehen von solchen Anspielungen setzte Schostakowitsch den Diktator im im eröffnenden Moderato durch die Ähnlichkeiten der Themen mit dem wahnsinnig gewordenen Zaren Boris Godunow von Modest Mussorgsky gleich. Das dahinwirbelnde erschreckende Bild des brutalen Allegro fußt überhaupt auf der Eröffnungsmelodie jener Oper, ehe sich Schostakowitsch im anschließenden Allegretto durch die seinen Namen offenbarenden Buchstaben und dem von Mussorgsky stammenden Hornruf des Chronisten Pimen als Ankläger deklariert.

Bei allem unterschwellig „sieghaftem“ Ende ist das Werk ein nach wie vor erschütterndes Fresko, vom Mozarteumorchester unter Han-Na Changs bestimmender Leitung präzise umsetzt. Es wurde vom Klarinettisten und allen anderen Holzbläsern, dem Blech, dem Schlagwerk und den mit Klangfülle beeindruckenden Streichern triumphal gedeutet!

Bilder: sergeykhachatryan.com / Kiran West

 

 

 

 

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014