Klänge aus Nord-Europa
MOZARTEUMORCHESTER / SONNTAGSMATINEE
10/03/25 Zur vierten Sonntags-Matinee des Mozarteumorchesters im Großen Festspielhaus hat man den 32jährigen lettischen Dirigenten Aivis Greters ans Dirigentenpult gebeten. Es war sein Salzburg-Debüt, mit einem rein skandinavischen Programm, von Grieg über den finnischen Zeitgenossen Magnus Lindberg zu Sibelius.
Von Horst Reischenböck
Das Wunschkonzert war für den Beginn programmiert. Die Ohrwürmer, die Edvard Grieg in seine Bühnenmusik zu Ibsens Peer Gynt einpackte, ziehen immer und werden gern gehört. Die vom Mozarteumorchester prächtig ausgespielte Morgenstimmung am Beginn der Ersten Suite op. 46 hat nichts mit nordischer Aura gemein, der Titelheld geht da in Afrika um. Mutter Åses Tod löst, so subtil von der Streicherriege im Anschluss daran Herz-bewegend sowohl vollmundig wie tieftraurig artikuliert, immer noch Erschütterung aus. Gegen zu viel Gefühllastigkeit steuerte rhythmisch pointiert Anitras Tanz, ehe Aivis Greters In der Halle des Bergkönigs in der Orgie zum Schluss die Zügel entsprechend locker und der Dynamik freien Lauf ließ.
Danach wechselte der Fokus zu dem 1958 in Helsinki geborenen Magnus Lindberg und seinem Lawrence Power ins Instrument erdachten Viola Concerto. Der britische Bratschist, ein Spezialist für Zeitgenössisches, für den auch Kurt Schwertsik schon ein Werk komponiert hat, macht dieses Werk gerade in Europa populär. Nach der Uraufführung in der Hamburger Elbphilharmonie präsentierte Lawrence Power es nun erstmals in Österreich.
Drei abwechslungsreiche Sätze reihen sich nahtlos aneinander, nachdem Bläserfanfaren zum Einstand blasen. Von da weg heißt es für den Solisten, nahezu unentwegt im Einsatz zu verweilen. Eine schier mörderische Aufgabe für Power, voll seinem Namen gerecht. Der Brite wechselte nicht von der Geige auf die Bratsche, sondern gab von Anbeginn an dem vollmundig sonoren Klang seines aus Bologna stammenden Instruments den Vorzug.
Nachdem Lawrence Power Artist in Residence bei der New York und der Royal Philharmonic war, lehrt der am berühmten Nash Ensemble Beteiligte nun in Zürich und propagiert neben klassischer Literatur neue Kompositionen. Lindbergs halbstündiges Opus fordert vom Solisten zum Spiel einer zweiten Cadenza sogar noch vokale Beiträge. Atemlos für die Hörer ihm zu folgen, eine Mordsleistung, vom Auditoriurm als solche gewürdigt und intensiv bedankt.
Um in Finnland zu bleiben gab’s nach der Pause noch die dreiviertelstündige Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 43 von Jean Sibelius. Es ist in unseren Breitengraden wohl sein populärster Beitrag zur Gattung. Allfälligen deutungen erteilte der Komponist eine Abfuhr: „Meine Sinfonien sind Musik, die als musikalischer Ausdruck ohne jedwede literarische Grundlage erdacht und ausgedrückt worden ist. Ich bin kein Literaturmusiker. Für mich fängt die Musik dort an, wo das Wort aufhört.“
Das sollte jenen Exegeten zu denken geben, die im zweiten Satz, andante, ma rubato, Don Juan-Bezüge zu erkennen meinen. Eher war's für Sibelius wohl Nachhall der Erschütterung über den Tod einer Tochter und der Selbstmord einer Schwägerin. Aivis Greters formte jedenfalls leidenschaftlich und mit vollem Einsatz die kleingliedrigen Motive zum tönend großen Ganzen, das im Finale in eine positive Wendung kulminiert, von allen Beteiligten strahlend aufgetürmt und entsprechend vom Publikum bejubelt.
Bilder: www.harrisonparrott.com / Valters Pelns (1); askonasholt.com / Giorgia Bertazzi (1)