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Die Seele von Venedig

STIFTUNG MOZARTEUM / IL GIARDINO ARMONICO / ANTONINI

27/04/16 Eben ist er Erster Gastdirigent des Mozarteumorchesters geworden, aber am Dienstag (26.4.) war er mit jenem Ensemble im Großen Saal des Mozarteums, dem sein Name zwillinghaft verbunden ist: Il Giardio Armonico. Ein Hauch von Venedig zwischen Lust, Leid, Begierde, Furcht.

Von Christiane Keckeis

Fein spinnt sich das erste Thema vom Cembalo aus in den Saal, durchsichtig, fast zerbrechlich, die Violinen fädeln sich dazu, das Thema aufgreifend und aus dem zarten Beginn formt sich nach und nach eine Vitalität, die so richtig italienisch barock klingt: Mit Tarquinio Merulas Canzon „La Pedrina“ beginnt eine Folge von kurzen Pretiosen, zwischen 1620 und 1650 entstanden, musikalische Kurzformen, die Il Giardino Armonico dramaturgisch effektvoll ohne Pausen dazwischen ineinandergreifen lässt.

„Con affetto“ ist das auserlesene Programm betitelt und die Affekte, Emotionen, Stimmungen (und da durchaus auch die musikalischen) werden durch-lebt, durch-musiziert, zwischen den Instrumenten in verschiedenen Besetzungen hin und her gereicht, unmanieriert und doch sehr bewusst. Entdeckerfreude empfindet man als Hörer, wenn Il Giardino die Feinheiten heraus – nein, nicht arbeiten: herausfühlen mit wunderbar abgestimmter Artikulation, erfreulicher Intonation und allen verfügbaren Klangfarben, die den Streichern, der Theorbe, dem Cembalo und der Flöte (von Sopran bis Bass in verschiedensten Variationen) zur Verfügung stehen. Das schwingt und stockt, echot und geht wieder zusammen – und ist oft ganz anders als erwartet. Aber immer stimmig.

Blitzt da nicht Vivaldis Winter heraus? Aber halt, das ist ja ein Jahrhundert zuvor entstanden! Dario Castellos Sonaten sind in ihrer Fantasie und Dramaturgie, im ständigen Wechselspiel schon erwähnter Affekte eine spannende Überraschung. Oder die äußersten harmonischen Wendungen, die Gioanpietro del Buono weit weg vom Stereotyp 1641 über den Hymnus Ave maris stella sich wandeln lässt: Modern mutet das an, wird von den Musizierenden in einer nahezu schmerzhaften Dichte dargestellt, mit ziehender Spannung und wunderbar intoniert.

Zwischen den Streichersonaten erscheint Giovanni Antonini mit geisterhafter Lautlosigkeit, die in dem Moment verschwindet, in dem er zu seiner jeweiligen Blockflöte in Kontakt tritt und ihr wie ein Zauberer die exaltiertesten Figuren, unberechenbaren Verzierungen entlockt, dieses im Wechselspiel mit seinen kongenialen Kollegen, die ihrerseits so scheinbar spontan, auf jeden Fall mit ähnlicher Verzierungsfreude reagieren: das alles mit ebenso stupender Virtuosität wie fulminanter Technik.

Am Ende des ersten Teils steht Alessandro Scarlattis Sonate in a-moll für Flöte, zwei Violinen und Basso continuo, die den Übergang zu den bekannteren Komponisten markiert. Auch in den bekannten Gefilden lässt Il Giardino Armonico uns einiges entdecken: Delikate Phrasierungen, Witz und Charme – und immer wieder das Spiel mit Artikulation und Klangfarben. Antonini, der mit der Flöte tanzt, kann bei Vivaldis Concerti „La Notte“ und „Il Gardellino“ (mit der hohen Sopraninoflöte) noch einmal alle Register ziehen und Bilder malen. Schier endlose Flötentriller bauen die Spannung der Nacht auf, virtuose Spritzigkeit wird von totaler Ruhe abgelöst, um schließlich ein fröhliches Erwachen zu suggerieren, das in allen Farben schillert. Das von Vivaldi inizierte Spiel zwischen lieblich und schrill, zwischen Vogelgezwitscher und spitzem Schrei, die Wandlungsfähigkeit und Beweglichkeit der kleinsten Flöte und ein mit Leidenschaft musizierendes Ensemble beschließen das Konzert: Venezianische Freude und entsprechender Jubel!

Bild: www.askonasholt.co.uk / Decca / David Ellis

 

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