FÜNFZIG JAHRE OENM (3)

15/06/25 Die seit 2011 stattfindenden, 2012 mit dem Bank Austria Kunstpreis für Musikvermittlung ausgezeichneten Atelierkonzerte, zu Beginn unter dem Motto œnm – ganz privat, nun im Quartier des Ensembles, dem Salzburger Künstlerhaus, sind eine eigene Erfolgsgeschichte.

Von Gottfried Franz Kasparek

Neue Musik braucht offene Räume. Offene Orte und solche der Zeit. Die Atelierkonzerte bieten seit Jahren komponierenden Menschen die Möglichkeit, ihre Musik zum Klingen und zum Gehör zu bringen. Abseits der Weihe traditioneller Konzertsäle, abseits einer so genannten breiten Öffentlichkeit. In einer Werkstätte, umgeben von Bildender Kunst, findet das Experiment seinen Platz, wird das Neue zum Ereignis. Das Experiment muss sein, denn „ein Komponist ist, wer Neues schafft“, wie schon Giuseppe Verdi wusste. Und ohne Enthusiasmus kann man keine Musik machen, postulierte Robert Schumann.

Kreativität und Enthusiasmus sind es, welche die Atelierkonzerte unverwechselbar und wertvoll machen. Hier steht Musik nicht sofort auf dem Prüfstand der gestrengen und manchmal voreingenommenen Fachkritik, hier gelangt Musik in ihrer aktuellen Vielfalt zu einem am Neuen interessierten Publikum mit offenen Ohren und bereiten Herzen. Die Atmosphäre der Atelierkonzerte hat nicht die mitunter lastend ernste Stimmung der Tempel Neuer Musik.

Kulinarische Sinnesfreude kommt nicht zu kurz. Große Musik braucht oft kleine Räume, um in die Weite wirken zu können. Dies ist nicht neu – die aufregende und bis heute neue Musik des Franz Schubert oder des Modest Mussorgsky, auch die der „Zweiten Wiener Schule“, erklang zum großen Teil zunächst nur im Freundeskreis.

Greifen wir ein paar Termine aus den œnm-Konzerten seit 2010 heraus, so wird die Bandbreite des Ensembles klar. Im Festkonzert 2010 im „Winterzelt“ im Volksgarten erklangen Werke von Gustav Mahler, Paul Hindemith, Wolfgang Rihm und Georg Friedrich Haas. Im Jänner 2013 gab es bei „œnm – ganz privat“ Stücke von zwei Gegenpolen der US-amerikanischen Musik, Elliot Carter und John Williams, am 30. Mai 2015 in den Kavernen Salzburg ein stimmungsvolles Festkonzert zum 40. Geburtstag mit Werken von Benjamin Britten, Manos Tsangaris, Andor Lodonczy und Theodor Burkali – und Musik von SA13 („Saitensprung“) zwischen Walzertakt, tibetischen Meditationen und Techno-Club. Bei den Osterfestspielen 2017 spielte das œnm Salvatore Sciarrinos Kammeroper „Lohengrin“ unter der Leitung von Peter Tilling.

Nach den schwierigen „Corona“-Jahren und langen Lockdown-Pausen, in denen es allerdings viele online gestellte „Atelierkonzerte“ gab, kamen im Frühjahr 2022 kräftige Lebenszeichen vor nicht nur virtuell anwesendem Publikum – im Atelier, im Solitär (ein Porträt Helmut Lachenmann, auch mit Werken von Luigi Nono und Mark Andre), instrumentales Theater in der Welser Minoritenkirche, im Juli dann ein Gastspiel beim Wiener Kultursommer mit Theodor Burkalis musikalischem Märchen Elefantasia da camera, im Oktober neue Filmmusik im Gläsernen Saal des Wiener Musikvereins und vieles mehr – und so weiter bis heute. Am 17. Mai 2025 dirigierte Johannes Kalitzke im Solitär Werke von Giacinto Scelsi, Otto Wanke, Sara Glojnarić und Georg Friedrich Haas – und das Motto drückt etwas aus, ohne das Musik nicht möglich ist – „Klang“.

Das œnm zählt, nach wechselnden Leitungen nun mit dem Vorsitzenden des Vereinsvorstands Martin Rummel und der künstlerischen Geschäftsführerin Isabel Birgit Biederleitner neu aufgestellt, zu den internationalen Spitzenensembles für Neue Musik. Das Ensemble war bzw. ist zu Gast u.a bei den Salzburger Festspielen, den Osterfestspielen Salzburg, bei der Mozartwoche Salzburg, dem Festival Dialoge, dem Taschenoper-Festival in Salzburg, bei den Bregenzer Festspielen, beim Kunstfest Weimar, beim Warschauer Herbst, bei Wien Modern, beim Bologna Festival, im Theater an der Wien, bei den Dresdner Tagen der zeitgenössischen Musik, bei den Klangspuren Schwaz, den Wittener Kammermusiktagen, der Münchener Biennale, bei Milano Musica, Settembre Musica und bei UltraSchall Berlin.

Erster Gastdirigent des œnm ist weiterhin Johannes Kalitzke, eine der führenden Dirigentenpersönlichkeiten der aktuellen Musik, weiters dirigierten u.a. Tito Ceccherini, Titus Engel, Beat Furrer, Toshio Hosokawa, Rupert Huber, Franck Ollu, Kasper de Roo, Peter Ruzicka, Oswald Sallaberger und Arturo Tamayo.

Das œnm ist eine Gruppe von hoch qualifizierten Spezialistinnen und Spezialisten für Neue Musik, deren Besonderheit es ist, dass die einzelnen Musikerinnen und Musiker in ihrem künstlerischen Leben nicht auf eine einzige Sparte festgelegt sind, sondern zum Beispiel im Mozarteumorchester Salzburg oder in der Camerata Salzburg in vielen anderen Bereichen der so genannten „klassischen“ Musik von der Renaissance bis zur Gegenwart zur ersten Kategorie zählen. Der besondere, farbig-sinnliche und dennoch transparente Klang des Ensembles hat viel damit zu tun, dass den Mitgliedern die Welt eines Bach, Mozart, Schubert, Verdi, Wagner, Tschaikowsky, Brahms oder Bruckner ebenso vertraut ist wie die der Moderne. (Ende der Serie)

Das große Festkonzert zum 50-Jahre-Jubiläum unter dem Motto „rauminseln“ wird am 25. Oktober in der Szene Salzburg stattfinden – www.oenm.at
Bilder: www.oenm.at
Zur ersten Folge Pioniertaten für die Neue Musik
Zur zweiten Folge Sechs Hupen für ein Alleluja