FÜNFZIG JAHRE OENM (2)
13/06/25 Mit sechs BMWs und dem Hupkonzert von Moritz Eggert beginnt morgen Samstag (14.6.) ein Festkonzert zum Fünfziger des Österreichischen Ensembles für Neue Musik œnm. Eines von mehreren, die im Herbst folgen.
Von Gottfried Franz Kasparek
Die Saison 1999/2000 brachte einen neuen Konzertzyklus: Jahrtausendwende und kein Ende. Vier Konzerte mit Uraufführungen von Stücken von Herbert Grassl, Klemens Vereno, Georg Friedrich Haas, Rainer Bonelli und Melikoff Karaian sowie der Österreichischen Erstaufführung von Alexander Müllenbachs Streichquartett „Constructions“ in Metal, mit Werken von Sofia Gubaidulina, Leonard Bernstein, Henri Dutilleux, George Crumb, Wolfgang Rihm, Iannis Xenakis, Hans Pfitzner, Giacinto Scelsi, Toru Takemitsu und Dimitri Schostakowitsch boten einen Überblick über die Vielfalt zeitgenössischer Musik im Spannungsfeld zwischen Spätromantik, klassischer Moderne und Avantgarde. Der Zyklus, unter größten finanziellen Schwierigkeiten veranstaltet und um zwei der sechs geplanten Konzerte gekürzt, wurde von Publikum und Presse sehr gut angenommen.
Ende Februar gestaltete das Ensemble im Rahmen des von Klaus Ager geleiteten ASPEKTE-Festivals und der Poetik-Vorlesungen am Mozarteum Konzerte mit Giya Kancheli, der wie so viele bedeutende Komponisten der Gegenwart mit dem œnm seine eigenen Werke erarbeitete. Im März folgte unter Johannes Kalitzkes Leitung ein Auftritt beim stART-Festival im Orchesterhaus, mit Uraufführungen von Alexandra Karastoyanova-Hermentin – sie kehrt seit damals immer wieder in den Konzerten des œnm zurück – und Werken von Brahms/Reimann, Schostakowitsch, York Höller und Harrison Birtwistle. Ab diesem Jahr wurde das stART-Festival vom œnm entscheidend mitgestaltet.
Am 14. April 2000 war im damaligen Stadtkino (später republic) im Rahmen der zehnten Nacht der Komponisten auch 25 Jahre œnm zu feiern. Trotz latenten Geldmangels glückte eine Folge von Uraufführungen verschiedenster Art. Auch ein Werk von Alberto Caprioli erklang, der den Abend dirigierte und viele Jahre lang ein wesentlicher Mitarbeiter des Ensembles gewesen ist. Das Jahr 2000 endete am 11. Dezember mit einem Konzert im Großen Saal des Orchesterhauses und Uraufführungen von Soo Jung Shin, Yutaka Mitsunaga sowie Werken von Johannes Kalitzke und Béla Bartók, wobei der unvergessliche Alfons Kontarsky (1932–2010) an einem der Flügel in Bartóks Sonate für 2 Klaviere und Schlagzeug wirkte.
Am anderen Klavier saß, wie stets in jenen Jahren und noch lange danach, der œnm-Pianist Per Rundberg. Außer den schon genannten Persönlichkeiten waren und sind es mitdenkende Musikerinnen und Musiker, welche das „Ensembleleben“ entscheidend mitgestalten, wie die Flötistinnen Irmgard Daxner-Messin und Vera Klug, der Allround-Klarinettist Fritz Kronthaler, der Bratscher Predrag Katanic, später der Klarinettist Andreas Schablas und der Komponist und Gitarrist Manuel de Roo, um nur einige wesentliche Namen aus der jüngeren Vergangenheit zu nennen.Das folgende Jahr 2001 stand im Zeichen eines Sparprogramms, was eigene Veranstaltungen betraf. Immerhin wurde mit den Konzerten im April in Zusammenarbeit mit Orpheus Trust unter dem Motto „Musik im Exil“ nicht nur in Salzburg, sondern auch im Wiener Konzerthaus an aus Österreich vertriebene Komponisten der klassischen Moderne nachhaltig erinnert. Auf den Pulten lagen Werke von Arnold Schönberg, Pavel Haas, Gideon Klein, Jacob Gilboa, Max Brand und Richard Hoffmann, dirigiert von Johannes Kalitzke, gesungen von Kathrin Leiwe und Elisabeth Starzinger. Kalitzke leitete auch das stART-Festival, die œnm-Beiträge galten Chinary Ung, Bertl Mütter, Stefan David Hummel und Iannis Xenakis. Mit dem Mozarteumorchester Salzburg gab es bei diesem verdienstvollen Salzburger Festival für aktuelle Musik bis zum Jahr 2005 eine fruchtbare Zusammenarbeit, die sich auch in den oft gleichen Besetzungen der beiden Klangkörper spiegelte: œnm-Mitglieder wie Frank Stadler – auch Konzertmeister des Orchesters-, Andreas Schablas, die Oboistin Isabella Unterer, der Tubist Josef Steinböck oder der Schlagzeuger Michael Mitterlehner spielten und spielen sowohl beim Ensemble als auch im Orchester wichtige Rollen.
Johannes Kalitzke leitete von 2000 bis 2005 bei stART nicht nur das œnm-, sondern auch das Orchesterkonzert und hatte die künstlerische Leitung inne, wobei ihm dramaturgisch und geschäftsführend Gottfried Franz Kasparek und der stART-Vorstand zur Seite standen. ... Beim stART Festival im Juni 2004 kam es zur Begegnung mit Helmut Lachenmann, der in der Folge mit dem œnm und mit dem stadler quartett mehrmals intensiv zusammenarbeitete. Da sich die finanzielle Ausstattung verbessert hatte, konnte ab Juni 2004 erstmals ein professioneller und fix angestellter Geschäftsführer bestellt werden: Wolfgang Laubichler, der in den folgenden Jahren wertvolle weitere Aufbauarbeit leistete, auch was die internationale Positionierung des Ensembles betraf – wie auch sein Nachfolger ab 2009, Alexander Kraus.
Gleich drei Konzerte bei den Salzburger Festspielen, eines davon dirigiert von Dietrich Fischer-Dieskau, waren viel beachtete Höhepunkte im Sommer 2004. Dabei gespielte Stücke von György Kurtág und Jörg Widmann erschienen als CD in der Serie Festspiel-Dokumente. Stücke von Enno Poppe und Harrison Birtwistle lagen beim stART Festival im April 2005 auf den Pulten. Im Festspielsommer 2005 eröffnete das œnm die Serie Passagen mit einem Porträtkonzert Chaya Czernowin. Der Oktober 2005 brachte das Konzert Utopia in der Kollegienkirche (Georg Friedrich Haas, Pekka Kostiainen, Javier Busto, Karlheinz Stockhausen, Johannes Brahms, Johannes Kalitzke, Dirigent Johannes Kalitzke, mit dem Mädchenchor des Musischen Gymnasiums Salzburg), der November das große Verdienste um das Ensemble erworben hat. Als Sänger wirkte ein geschätzter Stammgast mit: Thomas E. Bauer. Bei den ASPEKTEN 2006 kam es zur Begegnung mit dem 1. Träger des neuen Großen Musikpreises des Landes Salzburg, Salvatore Sciarrino. Im Festspielsommer des Mozartjahrs 2006 spielte das Ensemble gemeinsam mit dem Mozarteumorchester das „Zaide/Adama“-Projekt von Mozart und Czernowin sowie einen Konzertabend mit „Klassikern des 21. Jahrhunderts“:
Im Jänner 2007 galt ein Konzert im neuen Solitär der Universität Mozarteum „Lachenmann – Webern – Bach“, im Konzert „Alles Ligeti“ im Domchorsaal standen im April 2007 Werke von György Ligeti und Lukas Ligeti am Programm, im. Juni folgte das Abschlusskonzert des Dirigentenforums des Deutschen Musikrats (Leitung. Johannes Kalitzke) in der ARGE Kultur (Dallapiccola, Caprioli, Rihm, Feldman) – Solitär und neue ARGE sollten in der Zukunft zu Stammquartieren des œnm werden. Das neu konzipierte stART Festival, noch einmal geleitet von Johannes Kalitzke, führte im Oktober 2007 in der Kollegienkirche zum Projekt „Musik.Raum.Engel.“ mit Uraufführungen neuer spiritueller Musik von Manuel de Roo, Agustin Castilla-Àvila, Amr Okba und Ernst Bartmann. Nach einer strukturell und finanziell bedingten Pause im Mozartjahr, nach der tief greifenden Neuorientierung in Sachen Neuer Musik in Salzburg im Rahmen des seit 2005 existierenden Festivals Dialoge der Stiftung Mozarteum und der Salzburg Biennale – beides unter maßgeblicher Mitwirkung des œnm – und der verstärkten Aufnahme neuer Musik in „traditionelle“ Konzertprogrammen und vor allem bei der Mozartwoche wurde stART als Kooperation von œnm und ARGEkultur zur experimentellen Werkstatt für neue szenische Produktionen performativen Charakters und gleichsam neu gegründet. Der Komponist und Klarinettist Theodor Burkali wurde in dieser Zeit ein wesentliches Mitglied des Ensembles.
2008/2009 veranstaltete das œnm den Zyklus „Saiten-Klang“: 4 Konzerte im Solitär, Uraufführungen von Fabio Nieder, Uros Rojko, Martin Jaggi, Gérman Toro-Perez und Herbert Grassl sowie Stücke von Anton Webern, Johannes Schöllhorn, Marko Nikodijewic, Ferruccio Busoni, Markus Hechtle, Bruno Strobl, Ernst Krenek, Mauricio Kagel, Leopold Hurt, Gerhard E. Winkler, Enno Poppe, Gérard Pesson und Minas Bourboudakis (Dirigenten: Johannes Kalitzke, Tito Ceccherini, Gerd Kühr). Der Zyklus 2010/11 galt den „fingerprints“, also den Programmideen der Ensemblemitglieder. Im März 2009 wurde die erste Salzburg Biennale als Kooperation der Neue-Musik-Veranstalter ASPEKTE, œnm, Stiftung Mozarteum, Universität Mozarteum, IG Komponisten und stART unter der künstlerischen Leitung von Hans Landesmann und der Geschäftsführung von Wolfgang Laubichler zum großen Erfolg bei Publikum und Presse. Das œnm und das stadler quartett waren wesentliche Träger des international viel beachteten neuen Festivals und spielten 2009 innerhalb von vier Wochen in nicht weniger als zehn Konzerten Werke von Maurizio Sotelo, Luigi Nono, Beat Furrer, Steve Reich, György Ligeti, Toshio Hosokawa, Klaus Huber, Amr Okba, Saed Haddad, Samir Odeh-Tamimi, Hossam Mahmoud und anderen. Leider konnte die Biennale nach 2013 aus personellen und finanziellen Gründen nicht fortgesetzt werden. Weiterhin spielt das Ensemble eine Hauptrolle im seit 2007 von Ludwig Nussbichler geleiteten Festival ASPEKTE, welches im Biennale-Rythmus stattfindet und wo das Ensemble eine Vielzahl von Stücken junger Komponistinnen und Komponisten interpretiert hat, aber auch Werke der – kreativ jungen! – „großen Alten“ wie Friedrich Cerha und Sofia Gubaidulina. (Wird fortgesetzt)
1975 – 2025 œnm . ein revival – Samstag (14.6.) 18 Uhr und 19.45 Uhr Salzachufer und œnm Atelier im Künstlerhaus mit Werken von Eggert, Berio, Gubaidulina, Grassl, Burkali under der Uraufführung eines Werks von Ensemblemitbegründer Klaus Ager – es spielt das œnm unter der Leitung von Alexander Bauer – Zählkarten erforderlich – oenm.at
Bilder: www.johanneskalitzke.com; oenm.at / F. Voggeneder; Markus Sepperer
Zur ersten Folge Pioniertaten für die Neue Musik
Zur dritten Folge Aus dem Atelier auf die großen Podien