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Wenig Begeisterung fürs ewige Leben

 OSTERFESTSPIELE / CHORKONZERT I

14/04/25 Eine Weile, bevor der himmlische Chor einsetzt, ringen noch bedrohliche Töne des Dies Irae und volkstümliche Melodien um die verstorbene Seele. Gerade an diesem spannenden Punkt im Schluss-Satz von Mahlers Auferstehungs-Symphonie griff die Dame in der Reihe vor mir zum Handy.

Von Reinhard Kriechbaum

Sie begann, WhatsApp-Nachrichten zu checken. Ungehörig und die Umsitzenden störend, freilich. Aber irgendwie hab ich es ihr nicht krumm nehmen können. Es war in dieser Wiedergabe – im Sonntags-Konzert der Osterfestspiele – ja wirklich herzlich wenig Emotion vorhanden. Spannung eben so wenig. Also auch wenig Ermunterung für Mahler ein wenig Fernstehende, wirklich genau hinzuhören.

Das Finnish Radio Symphony Orchestra unter Esa-Pekka Salonen mit Gustav Mahlers Zweiter Symphonie – das war trotzdem eine durchaus aufschlussreiche Hörerfahrung. Man muss gar nicht zurückblenden auf die Ära von Claudio Abbado, der mit den Berliner Philharmonikern Mahler-Symphonien exemplarisch gestaltet hat. Oder sich an Sir Simon Rattle erinnern. Die Zweite steht, zu Ostern und im Sommer, nicht so selten auf dem Programm. Das Werk an diesem exponierten Ort anzugehen, ist schon fast eine Herausforderung des Schicksals. Der Abend hat auch darüber nachdenken lassen, ob die Entscheidung, jedes Jahr andere Orchester einzuladen zu den Osterfestspielen, mehr war als interimistische Verlegenheitslösung. Gut, dass ab nächstem Jahr wieder die Berliner Philharmoniker da sind...

2023 das Gewandhausorchester statt der Staatskapelle Dresden, das war (fast) gleichwertig. Im Vorjahr die Accademia Nazionale di Santa Cecilia – kein Luxus, aber kein Absturz. Am Sonntag (13.4.) hat das Finnish Radio Symphony Orchestra aber auf dem Podium bestätigt, was sich im Orchestergraben bei Chowanschtschina am Vorabend abzeichnete: Die Streicher sind ein Schwachpunkt. Das fällt bei Mahler deutlich mehr ins Gewicht als bei Mussorgski im bläserleuchtenden Schostakowitsch-Gewand.

Ein mit Ländlermelodien prallvoller Satz wie das Andante commodo der Zweiten braucht entschieden mehr als Pünktlichkeit. Es verlangt im Streichercorps nach Charme, nach einem gewissen Augenzwinkern. Hier stattdessen viel Trockenheit. Wenn die Holzbläser vorrangig das Sagen haben, etwa im dritten Satz, der die Wunderhorn-Melodie des Antonius von Padua Fischpredigt mannigfach variiert und karikiert, kann das finnische Orchester sehr wohl punkten, mit Brillanz, weniger mit Witz. Aber gleich drauf Urlicht. Da kann sich die Altsolistin – die Amerikanerin Jasmin White – noch so abstrampeln bei der Phrase „Ich bin von Gott und will wieder zu Gott“: Es wird nichts, wenn von den Streichern keine Emotion zugeliefert wird. Kontur hat die Wiedergabe erst im Finalsatz gewonnen, und auch da erst mit dem beeindruckend dichten Pianissimo des von Howard Arman einstudierten Chores des Bayerischen Rundfunks. Dieser bot auch den Solistinnen – zum Alt kam die sehr junge französische Sopranistin Julie Roset – die nötigen Angelpunkte. Aber so sehr sich die je zehn Hörner und zehn Trompeten (als Verstärkung der finnischen Gäste Studierende der Universität Mozarteum) dazu auch ins Zeug legten: Man wollte ans ewige Leben nicht recht glauben. Esa-Pekka Salonen hat die Massen auf Exaktheit getrimmt, quasi genau die Notenzeilen der Partitur entlang. Aber das war's auch schon.

Eine Gruppe junger Menschen links hinten im Parterre hat den Beifall mit Bravi angeheizt und doch zu standing ovations herausgefordert. Man weiß ja, was sich gehört, gleich nach dem WhatsApp-Checken.

Wiederholung am Ostersonntag, 20. April, 19 Uhr – osterfestspiele.at
Bilder: Osterfestspiele Salzburg / Erika Mayer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bilder: OSF /

 

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