Schenke uns Frieden!

PFINGSTFESTSPIELE / c-MOLL MESSE

21/05/24 Dona nobis pacem. Gib uns Deinen Frieden. Mit dieser Bitte endet jede Messvertonung. Der Ruf ist aktueller den je. Das dona nobis aus Mozarts c-Moll Messe hat sich kaum einmal so nachhallend ins Bewusstsein geprägt, wie in der Lesart von Gianluca Capuano mit Les Musiciens du Prince und dem Il Canto di  Orfeo zusammen mit dem Bachchor Salzburg.

Von Horst Reischenböck

Mozarts c-Moll Messe sprengt, wie etwa auch Bachs h-Moll Messe, von der Dauer her jeden Gottestdienst. Solche Werke erklingen längst im Konzertsaal. Warum also nicht auch in der Felsenreitschule?

KV 427 ist ein Fragment. Salzburgs einstiger „Mozart-Guru“ Bernhard Paumgartner zog Teile der Missa longa KV 246a (262) zur Vervollständigung heran. Gianluca Capuano hingegen bediente sich bei der Matinee am Pfingstsonntag (19.5.) mehrheitlich der Komplettierung durch den (erst jüngst von der Stiftung Mozarteum ausgezeichneten) Robert D. Levin. Im Originalklang musiziert, stach etwa aus dem berührenden Et incarnatus est das Trio von Flöte, Oboe und Fagott, perfekt geblasen, hervor. Eine Wirkung, die leider sofort verpuffte: Unbedarfte Zuhörer fühlten  sich wohl in einer konzertanten Oper und glaubten deswegen, spontan applaudieren zu müssen. 

Sopransolistin Regula Mühlemann verströmte in diesem Satz engels-gleiche Koloraturen. Die Bandbreite ihres Soprans hatte sie schon im Christe eleison eindrucksvoll präsentiert (wohl dem übrigen Ensemble geschuldet, mit italienisch gefärbtem Latein).

Sollte Constanze Mozart das bei der Uraufführung in St. Peter ähnlich gesungen haben, muss sie sehr gut gewesen sein. Jedenfalls wurde sie von Wolfgang „trainiert“ – mit erhalten gebliebenen Solfeggien, die auch heute noch im Gesangsunterricht, etwa an der Universität Mozarteum, verwendet werden. Bei den Mozarts gibt es immerhin darum, beim skeptischen Vater Leopold Eindruck zu schinden. Als zweiter Sopran, dunkler gefärbt, kontrastierte Juliette Meys Mezzo geschmeidig in den Partien, die einst wohl ein Kastrat gesungen haben mag. Das ließ den Wunsch wach werden, etwa das Laudamus te einmal von einem Countertenor zu hören.

Beide Damen vereinten sich mit Jan Petrykas strahlendem und schlank geführten Tenor, dem Robert Levin mit Et in Spiritum Sanctum eine eigene Arie (aus Mozarts Umarbeitung der c-Moll Messe zum Oratorium Davide penitente gezogen) zubilligte. Für das Benedictus vervollständigte zuletzt der voluminöse Bass von Yashuki Hirano das Solistenquartett.     

Die von Jacopo Facchini und Michael Schneider einstudierten Chöre verbanden perfekt, plastisch durchhörbar in den Fugen, ihre Positionen in den Doppelchören. Ähnlich Franz Xaver Süßmayr, der zum Ende von Mozarts Requiem dessen Beginn heranzog, unterlegte der ambitioniert dirigierende Gianluca Capuano entgegen Levins Idee das Agnus Dei zum Schluss nochmals mit der Musik des Kyrie, jedoch ohne Regula Mühlemann erneut durch tiefe Töne zu strapazieren.

Dadurch ließ der solcherart pianissimo verdämmernde Ausklang in sich gekehrte Nachdenklichkeit aufkommen. Ein kaum besser denkbarer Bezugspunkt zum Geschehen „draußen“ in der kriegsgeplagten Welt. Eine großartige Aufführung!

Bilder: SF / Marco Borrelli