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Ceja Stojka und die Lovara

STICH-WORT

30/01/13 Der Tod der Malerin und Autorin Ceja Stojka ist auch Anlass, an die Kultur der Lovara zu erinnern. Diese Pferdehändler – das bedeutet das Wort Lovara haben eine reiche Erzähltradition und vor allem ein eigenes musikalisches Idiom entwickelt.

Ceja Stojka wurde 1933 im steirischen Kraubath geboren. Von den zweihundert Angehörigen ihrer Großfamilie, die zuvor als Pferde- und Teppichhändler durch Österreich reiste, überlebten nur sechs das NS-Terrorregime: Der Vater Wakar Stojka wurde ins Konzentrationslager Dachau gebracht und in Schloss Hartheim ermordet, die anderen ins KZ Auschwitz-Birkenau deportiert. Ceija Stojka kam danach ins KZ Ravensbrück und kurz vor Kriegsende das KZ Bergen-Belsen, wo sie mit ihrer Mutter und Schwester befreit wurde. Später ließ sich Stojka in Wien nieder.

Als eine der ersten Überlebenden begann Stojka nach langem Schweigen Ende der 1980er-Jahre, über die Gräueltaten in der Zeit des Nationalsozialismus zu reden. 1988 schrieb sie ihr erstes Buch „Wir leben im Verborgenen“ und machte als eine der ersten auf das Schicksal ihres Volkes in den Konzentrationslagern und Vernichtungslagern aufmerksam. 1992 folgten mit dem Buch „Reisende auf dieser Welt“  ihre Erinnerungen an die Zeit im Nachkriegsösterreich. Jahrelang engagierte sich Stojka in der Bildungsarbeit mit Schülern und war zudem eine wichtige Botschafterin für das Schicksal der Volksgruppen in Europa - zuletzt etwa 2011 bei der Roma-Audienz von Papst Benedikt XVI.

Die „Lovara“ haben innerhalb der Roma-Kultur besondere Sitten und Gebräuche entwickelt. Lieder sind ein wichtiger Teil ihrer kulturellen Identität. Diese Gesänge handeln meistens von der Familie und der Gemeinschaft, aber auch die Rolle des Einzelnen und die frühere Lebensweise der Lovara spiegeln sich in ihnen. Zudem sind die Lieder ein „Speicher“ der Sprache, beinhalten sie doch für diese Romanes-Variante typische Phrasen, Metaphern, Sprechformeln oder auch nur einzelne Ausdrücke, die heute kaum noch in gebrauch sind und allmählich dem Bewusstsein entschwinden. Deshalb wurde diese spezielle Lied-Tradition auch vor anderthalb Jahren in die österreichische UNESCO-Liste des immateriellen Kulturguts aufgenommen.

Diese Gesänge umfassen zwei Hauptgattungen – das langsame lyrische Lied sowie das Tanzlied. Auch Ceja Stojka hat solche Lieder manchmal gesungen. Die musikalische Tradition wird bis heute bei Familienfeiern und größeren Festen gepflegt. In fast allen europäischen Ländern (insbesondere in Mittel- und Osteuropa), aber auch in Amerika sind Lovara-Lieder üverliefert. Seit den 1960er Jahren Tonaufzeichnungen gemacht, um die Tradition zu sichern. Neben den Lovara praktizieren auch andere Roma-Gruppen diese Liedkultur, sie sprechen ähnliche Romanes-Varianten und gingen früher ebenfalls mobilen Berufen nach.

Vor etwa 150 Jahren wanderten die Lovara aus der Slowakei und Ungarn in das Gebiet des heutigen Österreichs ein, wo sie sich v.a. im Großraum Wien und im Burgenland ansiedelten. In Wien ist ihre Liedtradition bis heute lebendig und wird mündlich an die nachfolgende Generation weitergegeben. Die Sprache der Lovara zeichnet sich durch manche Eigenheiten aus. Die Romanes-Variante der Lovara wurde erst zwischen 1997 und 1999 in Österreich kodifiziert. Seitdem können die bislang nur mündlich überlieferten Texte auch schriftlich weitergegeben werden. Diskriminierungen wirkten sich freilich drastisch auf die ehemals reiche Erzählkultur der Lovara aus.
(Kathpress/UNESCO/dpk-krie)

Ein Hörbeispiel von Hojda Stojka, einer Verwandten von Ceja Stojca
Der 1999 gedrehte Dokumentarfilm "Ceja Stoika. Porträt einer Romni" von Karin Berger ist als DVD in der Reihe "Der österreichische Film"/Edition Der Standard im Buchhandel und unter www.hoanzl.at erhältlich
Bild: www.karinberger.at

 

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