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Bekannte Gesichter

REST DER WELT / LUCERNE FESTIVAL

04/09/17 Einer der Höhepunkte des Lucerne Festivals Sommer sind jeweils die großen Orchesterkonzerte in der Salle blanche des Kultur- und Kongresszentrums. Am Wochenende konnte man dort unter anderem die frühere Musikdirektorin des Salzburger Landestheaters, Mirga Gražinyté-Tyla, mit ihrem Orchester aus Birmingham erleben. Und den zu Ostern und im Sommer in Salzburg sehr präsenten Daniil Trifonov.

Von Oliver Schneider

Für das vorletzte Festival-Wochenende hatte Michael Haefliger das Mariinsky Orchestra unter Valery Gergiev eingeladen, das mit zwei rein russischen Programmen angereist war. Während der erste Abend Mussorgsky gewidmet war, stellte der zweite für die Musizierenden und das Publikum die wohl größere Herausforderung dar: Behzod Abduraimov, Sergej Redkin und Daniil Trifonov teilten sich die fünf Klavierkonzerte von Sergej Prokofjew in einem Marathonkonzert.

Behzod Abduraimov überzeugte im einsätzigen, rhapsodisch angelegten ersten Konzert in Des-Dur neben seinem kraftvoll-brillanten Spiel, mit dem er sich mühelos als gleichberechtigter Partner gegenüber dem Orchester behauptete, ganz besonders im träumerischen langsamen Moll-Mitteilteil. Sein weicher Anschlag verlieh außerdem dem dritten Konzert in C-Dur Eleganz und eine gewisse Leichtigkeit – vor allem in der vierten Variation des zweiten Satzes.

Abduraimov muss sich aber auch bei virtuosen Akkord- und Oktavreihen nicht hinter seinem bekannteren Kollegen Daniil Trifonov verstecken, der – wie bereits in Salzburg – das g-Moll Konzert spielte. Wie in Trance, mit aus dem Innersten mobilisierter Kraft im Scherzo und Finale. Er riss das Publikum spontan vor der ersten Pause zu Standing Ovations hin.

Sergej Redkin interpretierte schließlich die letzten beiden Konzerte. Das Vierte für die linke Hand hatte der einarmige Paul Wittgenstein in Auftrag gegeben, es aber schlussendlich nie gespielt. Redkin schien sich besonders in den beiden langsamen Mittelteilen mit ihrem melodiösen Reichtum und im humoristischen Final-Vivace wohl zu fühlen. Gleiches lässt sich auch vom Larghetto des fünften Konzerts in G-Dur sagen, in dem Redkin ansonsten noch einmal ein Feuerwerk an technischer Brillanz entfachte. Viel Jubel nach einem über dreistündigen Konzert, in dem jeder der drei Pianisten noch mit einer kleinen Prokofjew-Zugabe den Besuchern und dem intensiv begleitenden Mariinsky Orchestra dankte, das im dritten Konzert mit subtiler Begleitung gefiel.

Gerade heuer ist es schade, dass sich das Lucerne Festival und die Salzburger Festspiele über fast drei Wochen überschnitten haben. Denn nicht nur im klassischen Konzertformat gehen Künstler und das Publikum seit Mitte August auf die Suche nach Identität. Sondern auch bei Vorträgen und in Diskussionsrunden, in Late Night Shows, die musikalisch angereichert und zum Teil vom Komponisten, Pianisten und Blogger Moritz Eggert moderiert werden und im Anschluss an die großen Konzerte stattfinden, im von Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund gestalteten Radio Identity sowie in über den Tag verteilten Kurzkonzerten. Und das zu Kartenpreisen, die es (fast) jedem ermöglichen, teilzunehmen. Da ist es geradezu selbstverständlich, dass heuer auch Patricia Kopatchinskaja gemeinsam mit dem aus der Kaderschmiede der Lucerne Festival Academy stammende Cellist Jay Campbell zur „Artiste étoile“ bestimmt wurde.

Dass Mirga Gražinyté-Tyla – 2012 Gewinnerin des Young Directors Award der Salzburger Festspiele – Salzburg nach zwei Spielzeiten schon wieder verlassen hat, musste man nach dem Konzert mit ihrem City of Birmingham Orchestra am Sonntagabend besonders bedauern. Angereist war das vor ihr von Simon Rattle und Andris Nelsons geleitete Kollektiv mit Edward Elgars Cellokonzert in e-Moll, in dem Gautier Capuçons warmer, vibratoreicher Cellogesang spannungsreich mit dem vergleichsweise rauen Orchesterklang kontrastierte. Vom Werk her interessanter war hingegen das eröffnende Cantabile für Streichorchester des lettischen Komponisten Pēteris Vasks. Kreisende Bewegungen, die sich mehrmals zu großen Wellen auftürmen, um schlußendlich morendo zu verebben. Das Werk ist Ausdruck von Vasks Biographie, wurde er doch zu Sowjetzeiten in seinem musikalischen Fortkommen stark behindert.

Den Abschluss des Abends bildete Sergej Rachmaninows dritte Symphonie, die zwar als Symbol für das Schicksal eines Exilierten alles andere als puren spätromantischen Schönklang bietet, aber gleichwohl leicht verdaulicher Breitwandsound bleibt. Immerhin konnten die Musikerinnen und Musiker als Gesamtkörper und solistisch unter dem energiegeladenen und bewegungsreichen Dirigat der nur zierlich erscheinenden, sympathischen jungen Chefdirigentin reüssieren.

Lucerne Festival bis 10. September – www.lucernefestival.ch
Bilder: Lucerne Festival /Marco Borggreve (1); Priska Ketterer (2); Neil Pugh (1)

 

 

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