Schade, dass sie ihn ziehen lassen...

REST DER WELT / MÜNCHEN / MAHLER

02/11/10 Einen Mahler-Zyklus bieten in dieser Saison gleich beide Münchner Paradeorchester. Wobei vor allem jene Konzerte der Münchner Philharmoniker das Interesse auf sich ziehen, bei denen Noch-Chefdirigent Christian Thielemann am Pult steht.

Von Oliver Schneider

Nach der großformatigen „Achten“ widmete sich Thielemann im dritten Konzert des Zyklus den Rückert-Liedern, in denen er den schlichten, kammermusikalischen Klang wunderbar klar zum Leuchten brachte. Renée Fleming wusste die schier unbegrenzte Palette der ihr zur Verfügung stehenden Farben und das cremige Timbre ihrer Luxusstimme perfekt einzusetzen.

Der scherzhafte Ton von  „Blicke mir nicht in die Lieder“ schien der amerikanischen Sängerin besonders zu liegen, aber schnell fand sie auch zur tiefen Ausdruckskraft  von „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ zurück. Den Höhepunkt bildete aber die letzte Strophe von „Um Mitternacht“, nachdem die Fleming zuvor das gesamte Ausdrucksspektrum an Schmerzen und Leiden in einem selbstbewussten Kampf überwunden hatte. Einen weiteren Höhepunkt setzten die solistischen Holzbläser in der feinen Begleitung.

Allerdings wünscht man sich von einer der deutschen Sprache mächtigen Sängerin mehr Textverständlichkeit. Davon konnte am Sonntagmorgen in der komplett ausverkauften Philharmonie nur in den letzten beiden Liedern die Rede sein.

Eröffnet hatten Thielemann und die Münchner Philharmoniker das Konzert mit dem „Nachtstück“, dem Zwischenspiel aus Franz Schrekers Oper „Der ferne Klang“. Schon hier hatten sie mit ungemeiner Transparenz überzeugt. Über den geheimnisvollen Beginn der ausdifferenzierten Partitur führt Thielemann das spätromantische Großorchester zu einem bombastischen Höhepunkt mit erweitertem Schlagwerk und wieder zurück zu einem irrisierenden, zarten Zauberklang.

Die hohe Durchhörbarkeit im Streichapparat war auch der Sitzordnung mit den Celli neben den ersten Geigen und den Kontrabässen links dahinter geschuldet. Dies kam auch der Wiedergabe von Brahms Vierter nach der Pause zugute, nach der man nur bedauern kann, dass die Münchner Christian Thielemann an die Elbe ziehen lassen. Wann hört man die Variationen des abschließenden Allegro energicos e passionato so klar gegeneinander abgesetzt und gleichwohl in ein Gesamtbild eingebettet, das seinen Höhepunkt in der gewaltigen Schluss-Apotheose findet.

Nächstes Konzert im Mahler-Zyklus: 24., 25. und 26. März 2011: Symphonie Nr. 2 c-Moll „Auferstehungssymphonie“ -   www.mphil.de
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