asdf
 

Jungbrunnen und Identität

HINTERGRUND / TRAUNSTEINER SOMMERKONZERTE

30/08/21 Musik aus Israel ist das Thema der Traunsteiner Sommerkonzerte von 1. bis 7. September im neu renovierten Kulturforum Klosterkirche in Traunstein.

Von Heidemarie Klabacher

„Rückbesinnung auf jahrtausendalte Traditionen jüdischen Gesangs und Streben nach nationaler Identität prägen die Genese der Musik im jungen Staat Israel, der 1948 als vormaliges britisches Mandatsgebiet Palästina seine Unabhängigkeit erreichte.“ Das schreibt der Geiger, Pianist und Musikwissenschaftler Kolja Lessing im Programmheft der Traunsteiner Sommerkonzerte. „War die Hinwendung zu alten jüdischen, mithin auch musikalischen Traditionen mit dem Reifen der zionistischen Idee Theodor Herzls zu Beginn des 20. Jahrhunderts einhergegangen, so wurde das Entstehen des Staates Israel letztlich durch die grausame Erfahrung des Holocaust 1933 bis 1945 beschleunigt. Die Entwicklung eines israelischen Musiklebens im Sinne europäischer Institutionalisierung wurde überhaupt erst durch die Einwanderung herausragender exilierter Musiker-Persönlichkeiten in den 1930er Jahren ermöglicht – eine bittere Ironie der Geschichte.“ Soweit Kolja Lessing.

Unterschiedlich geprägte Komponisten aus Mittel- und Osteuropa hätten „einen immensen Beitrag zur Entwicklung eines an europäischen Vorbildern orientierten Musiklebens in Palästina/Israel geleistet, „nicht minder engagierten sie sich für die Genese einer spezifisch israelischen Musik“. So habe etwa Bronislaw Huberman mit der Gründung des Palestine Orchestra 1936 in Tel Aviv ein Spitzenensemble initiiert, „das später unter dem Namen Israel Philharmonic Orchestra zu Weltruf gelangte“. Emil Hauser habe bereits 1933 mit dem Jerusalem Conservatory for Musical and Dramatic Art die Basis für eine professionelle Musikausbildung mitteleuropäischer Prägung geschaffen.

Das Ringen um neues künstlerisches Profil habe sich aber auch im quasi Persönlichen gezeigt, etwa in der der Hebräisierung mancher Vornamen bis hin zur Annahme neuer hebräischer Namen, so Kolja Lessing: „Paul Frankenburger nannte sich fortan Paul Ben-Haim, Heinrich Jacoby änderte seinen Vornamen zu Hanoch, ebenso sein Schüler Heinz Alexander, der als Haim Alexander bekannt wurde. Josef Grünthal wählte den Namen Josef Tal, aus Adolf Ehrlich wurde Abel Ehrlich.“

Zentral auch das Ringen um religiöse Identität. So schreibe etwa Max Brod in seiner Studie Die Musik Israels: „Es berührt mich oft seltsam, dass gerade jener Teil des Gottesdienstes, der mir in meiner Kindheit besonders langweilig vorkam, zum Jungbrunnen der Israel-Musik geworden ist, nämlich das Vorlesen aus der Heiligen Schrift, auf das niemand in unserer Synagoge richtig aufpasste. Gerade die uralten Musikformeln, in denen sich diese Vorlesung aus den Mosesbüchern und den Propheten Jahrtausende lang und bis heute vollzieht, sie liefern jetzt das Material, nach dem die moderne Israelmusik begierig greift, um ihrer Eigenart sicher zu werden.“ Auch die „geographisch weit verzweigte jüdische Volksmusik“ habe, so Kolja Lessing in seinem Essay im Programmheft der Traunsteiner Sommerkonzerte, eine wesentliche Inspirationsquelle der sich generierenden israelischen Musik dargestellt.

Ein Resumee Lessings: „Gleichsam im Amalgam all dieser Einflüsse weltlicher und sakraler jüdischer Musik, zudem inspiriert durch die intensive Zusammenarbeit mit der jemenitischen Sängerin Bracha Zefira, entwickelte Paul Ben-Haim in den 1930er Jahren den Mittelmeerstil, der sich aus heutiger Sicht als orientalischer Impressionismus charakterisieren ließe.“

Ami Maayani, Avner Dorman, Al Ravin und Ludwig van Beethoven stehen auf dem Programm des Eröffnungskonzertes am 1. September. Bekannte Namen wie Erich Wolfgang Korngold oder Mieczysław Weinberg und kaum bekannte Namen wie Alexander Weprik listet das Programm. Paul Ben-Haim, Abel Ehrlich, Tzvi Avni oder Mordecai Seter begegnen Johannes Brahms. Tomaso Giovanni Albinoni trifft auf George Gershwin. Es spielen das Ensembel 4.1, Silke Aichhorn, das Mandelring Quartett, das Atos Trio, das Novus String Quartet, Kolja Lessing, das Signum Saxophon Quartet, David Orlowsky, Anastasia Kobekina, Lauma Siride und das Vogler Quartett.

Nach dem plötzlichen Tod von Imke von Keisenberg, der Intendantin der Traunsteiner Sommerkonzerte, im vergangenen Dezember, hat deren Tochter Julia von Keisenberg die Organisation übernommen. Das diesjährige Programm mit dem Schwerpunkt Israel sei noch von der langjährigen Leiterin gestaltet worden, melden die Traunsteiner Sommerkonzerte. Die Toningenieurin und Musikwissenschaft Imke von Keisenberg hat die Traunsteiner Sommerkonzerte seit 2012 geleitet.

www.traunsteiner-sommerkonzerte
Bilder: Traunsteiner Sommerkonzerte / Archiv Schott Music; Joost Evers Nationaal Archief, Commons Wikimedia; Etan J. Tal

 

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014