Was mir die Erde erzählt

TRAUNSTEINER SOMMERKONZERTE

03/09/23 Die 43. Traunsteiner Sommerkonzerte begannen einen Tag nach Festspielende am Tag des metereologischen Herbstanfangs (1.9.) mit Gustav Mahlers Lied von der Erde.

Von Horst Reischenböck

Der international renommierte Violoncellist Maximilian Hornung ist zum zweiten Mal für den Programmablauf in Traunstein verantwortlich. Er hat Erde als übergreifendes Thema der Konzerte von 1. bis 7. September gewählt – vermutlich nicht ahnend, was unser „Blauer Planet“ im Laufe dieses Jahres seiner Bevölkerung alles aufzulösen geben wird.

Spielstätte der Traunsteiner Sommerkonzerte ist die Klosterkirche der Kapuziner. Dieses hat einsts der Salzburger Fürsterzbischof Johann Ernst Graf von Thun an seine Reichsgrenze gesetzt, heute bildet sie das Herzstück des vor drei Jahren fertiggestellten Kulturforums.

Einen Koloss wie Mahlers Lied von der Erde zu stemmen, bedeutet auch innerhalb eines ehemaligen Sakralraums eine nicht gering zu schätzende Herausforderung. Zur Aufführung gelangte natürlich nicht das Original, sondern die von Arnold Schönberg für seinen Verein für musikalische Privataufführung begonnene Bearbeitung für 13 Instrumentalisten. Und selbst für diese musste das Podium in der Klosterkirche vergrößert werden. (Schönberg hinterließ seine Bearbeitung als Fragment. Die Vervollständigung lieferte der deutsche Komponist Rainer Riehn, der die Klangpalette zum Schluss durch eine Celesta bereicherte, vor vierzig Jahren.) Schönberg/Riehns Fassung erwies sich einmal mehr als absolut adäquat, indem sie nichts vom Gehalt tönender Details vermissen ließ und die akustischen Vorgaben des Aufführungsorts nicht über Gebühr strapazierte.

Gustav Mahler schuf mit dem Lied von der Erde und den sieben Vertonungen chinesischer Nachdichtungen von Hans Bethge einen nach wie vor schwer kategorisierbaren Zwitter für zwei Gesangsstimmen und voll besetztes Orchester. Wobei dieser erst zum Finale hin tatsächlich „sinfonisch“ ausufert. Aus Aberglaube heraus hat auch Mahler (wie etwa Anton Bruckner) nach Beethoven nach einer Neunten keine zehnte Sinfonie mehr komponiert. Mahler weigerte sich, sein Werk zu nummerieren, ahnte jedoch nicht, dass er damit den Beginn einer Trias eigenen Lebewohls begann. So äußerte er sich seinem Schüler Bruno Walter gegenüber: „Was glauben Sie? Werden sich die Menschen nicht danach umbringen?“

Auf diesen Adagio-Schluss, als die Mezzosopranistin Franziska Gottwald, die schon zuvor berührend die Textzeile „Mein Herz ist müde“ gestaltete, ihr „Ewig, ewig“ mit ersterbender Stimme verdämmern ließ, folgte minutenlange Stille. Beleg dafür, wie und dass Mahlers Botschaft aufgenommen wurde, der sich zu Anfang noch Ferdinand von Bothmers kernig geführter Tenor im Trinklied vom Jammer der Erde energisch entgegen gestemmt hatte und die kecke Ironie als Der Trunkene im Frühling genauso viril und durchschlagskräftig zum Ausdruck brachte.

Der junge  israelische Dirigent Gerald Karni formte mit dem exquisit zusammengestellten ad hoc-Ensemble einen fundiert mitgestalteten Klangrund mit Konzertmeisterin Vilde Frang und Maximilian Hornung am Cello oder der am Mozarteum ausgebildeten Flötistin Daniela Koch samt ihrem der Natur abgelauschtem Vogelgezwitscher. Langanhaltender Beifall dankte allen Beteiligten für diesen Meilenstein bei den traditionsreichen Traunsteinr Sommerkonzerten

www.traunsteiner-sommerkonzerte.de.
Bilder: www.maximilianhornung.com / Marco Borggreve; www.franziskagottwald.de