Feudal nicht nur in der Beletage

HINTERGRUND / GRÜNDERZEIT / THEOPHIL HANSEN

15/05/13 Ein paar Beispiele gibt es sogar in Salzburg, das eher arm ist an gründerzeitlicher Architektur: Die paar Straßenzüge im ehemaligen Stadtbefestigungs-Viertelkreis im Andräviertel, beim Kurgarten beginnend mit den „Faberhäusern“ – die Vorbilder lieferte  Theophil Hansen, der vor 200 Jahren geboren wurde.

Von Reinhard Kriechbaum

038Es ist ja keineswegs so, dass Gebäude wie das Palais Epstein (das archoitektonische Verbindungsglied zwischen Naturhistorischem Museum und Parlament) oder das Palais Todesco gegenüber der Oper als Ganzes Wohngebäude für die Bankiers- und Industrieadelsfamilien der Monarchiezeit waren: Sie bewohnten die „Beletage“. der Rest dieser im Grunde grandios überdimensionierten Bauwerke wurde vermietet. Sie waren also in ihrer Funktion eher Zinshäuser den Stadt-Residenzen in barockem Sinn.

Mit dem einst als „schönstes Zinshaus der Welt“ gepriesenen „Heinrichhof“ gegenüber der Oper und der Zinshausgruppe am Schottenring schuf Hansen den Typus des bürgerlichen Mietshauses. Architekten wie Otto Wagner haben das dann adaptiert, auf bürgerliche Normal-Maßstäbe herunter gebrochen. Aber die Bauweise, die Neo-Renaissance-Fassaden und dergleichen sollten schließlich nicht nur die gründerzeitlichen Stadtviertel Wiens bis weit über den Gürtel hinaus prägen, sondern den Städten auf den gesamten Gebiet der Monarchie ihr spezifisches Gesicht geben: Man steige nur im ukrainischen Lemberg, im kroatischen Zagreb aus dem Zug und marschiere Richtung Stadtzentrum… Wien ist überall.

039Zum 200. Geburtstag des 1813 in Kopenhagen geborenen Theophil Hansen zeigt das WAGNER:WERK Museum Postsparkasse eine Schau, die speziell diesem Wohnbau-Aspekt im Schaffen des Dänen und seinen Einflüssen auf Otto Wagner uns seine Schule zeigt.

Die geistige Verwandtschaft rührte nicht nur daher, dass Otto Wagner beispielsweise als verantwortlicher Baumeister an der Errichtung des Palais Epstein mitwirkte. Wie später Wagner hatte Theophil Hansen sehr das Ganze im Blick. Für manche Wohnräume entewarf er auch die Einrichtungsgegenstände, wovon die Schau auch zeugt.

„Theophil Hansen gab dem Bürgertum seinen eigenen Stil“, so die Gestalter der Ausstellung im WAGNER:WERK Postsparkasse. „Zugleich bestand er auf einer Internationalisierung der Architektur, die zu einer einheitlichen Form der kontinentaleuropäischen Großstadt führen sollte.“ Tatsächlich waren ja sowohl die Auftraggeber vieler Ringstraßen-„Palais“ als auch die beteiligten Architekten – Ludwig von Förster, Gottfried Semper, Friedrich von Schmidt, August Sicard von Siccardsburg – „Ausländer“.

040Ein anderer Aspekt im Schaffen von Theophil Hansen sind Bauten wie das Parlament oder die Börse. Nachhaltiger wirkte er wohl mit den Zinshaus-Bauten am Ring. Sehr wahrscheinlich, dass auch die Erbauer der so genannten Faber-Häuser in Salzburg (ab 1873, Entwurf Franz Sonnleitner, Ausführung Valentin Cecconi) sehr genau Theophil Hansens Vorbilder examiniert haben.

Der Wiener Ringstraße steht in zwei Jahren ja ein großes Jubiläum bevor: Die Eröffnung der Ringstraße erfolgte am 1. Mai 1865. Lediglich der Schottenring wurde erst in den 1880er-Jahren fertig gestellt. Theophil Hansens mehrgeschossige Blockbebauung im Stil der "Wiener Renaissance" wurde zum Vorbild für die gesamte Stadterweiterung, zu Hunderten, ja Tausenden wiederholt in Wiens Außenbezirken ebenso wie in allen größeren und kleineren Städten der Monarchie. Übrigens schnellte damals die Einwohnerzahl innerhalb von fünfzig Jahren von 400.000 auf zwei Millionen hinauf: Man macht sich von der urbanen Wachstumssituation in der „Großbaustelle Wien“ kaum mehr eine Vorstellung.

Hansen entwickelte seine Möbelentwürfe immer für konkrete Auftraggeber und im direkten Bezug zu den von ihm gestalteten Räumen. Mit Ludwig Lobmeyr verband Hansen eine besonders intensive Zusammenarbeit: neben zahlreichen Glasgegenständen für die Firma entwarf der Künstler auch die Wohnungseinrichtung für ihn. Simon Georg Freiherr von Sina d.J. vertraute ebenso Hansens Geschmack wie Erzherzog Leopold Ludwig, in dessen Schloss Hernstein (in Niederösterreich) Hansen auch für die bewegliche Ausstattung – vom Altargerät bis zur Schreibtischgarnitur – verantwortlich zeichnete. Darüber hinaus lieferte er Entwürfe für Tischgerät, Bestecke, Glasservice, Geschirr, Tischtücher, aber auch Schmuckstücke und besondere Ehrengaben wie Pokale und Prunkeinbände. Dadurch war Hansen mit den bedeutenden Firmen der Wiener Ringstraßenzeit in Kontakt: die Bronzewarenfabrik Hollenbach's Neffen, die erwähnte Glasfirma J.& L. Lobmeyr, der Juwelier A.E.Köchert, der Silberschmied Mayerhofer & Klinkosch.

Aus Anlass des 200. Geburtsjubiläums des dänisch-österreichischen Ringstraßenarchitekten Theophil Hansen zeigt das vom 14. Mai bis 17. August 2013 die Ausstellung Theophil Hansen 1813 – 2013. Ein Stararchitekt und seine Wohnbauten an der Wiener Ringstraße. Bis 17. August im WAGNER:WERK Museum Postsparkasse. – www.ottowagner.com. Diese Website informiert auch über viele andere Aktivitäten zum Hansen-Gedenkjahr.
Bilder: WAGNER:WERK Museum Postsparkasse