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Die siebente Saite

KULTUR – VIRTUELL

08/01/21 „Einer der Großen aus der Szene der Alten Musik wird in diesem Jahr achtzig Jahre alt: Jordi Savall. So richtig bekannt auch einem nicht nur der Alten Musik zugeneigten Publikum wurde er als Gestalter und Arrangeuer der Filmmusik zum Streifen „Die siebente Saite“.

Da geht es um den französischen Gamben-Meister Marin Marais, dem Jordi Savall in der Filmmusik die Hand lieh. Der alte und der junge Marais waren mit Gérard Depardieu und dessen Sohn Guillaume besetzt. Der Film von Alain Corneau aus dem Jahr 1991 hat neben vielen anderen Auszeichnungen auch einen César für die beste Filmmusik bekommen.

Seit Jahrzehnten wird die Styriarte in Graz traditionell mit Konzerten von Jordi Savall und seinen Ensembles abgeschlossen, seit über zwanzig Jahren ist er auch regelmäßig bei den Salzburger Festspielen zu Gast. Die Festspielbühne betrat Jordi Savall 1998 bei den Pfingstfestspielen, als er im Dom ein Konzert mit mehrchöriger Musik von Heinrich Ignaz Franz Biber gestaltete. Im selben Sommer hat er dan hier Claudio Monteverdis Madrigali guerrieri et amorosi hören lassen – mit diesem Werk wird man in diesem Sommer Savall bei der Ouverture spirituelle am 22. Juli wiederbegegnen, eine Woche vor seinem achtzigsten Geburtstag (am 1. August).

Studiert hat der 1941 in Katalonien geborene Jordi Savall nun wirklich, betrachtet man den Umgang mit Alter Musik, in einem anderen Jahrhundert: Wieland Kuijken in Belgien und August Wenzinger in Basel waren seine Lehrer. Savall wurde dann bald selbst Gambenprofessor an der Schola Cantorum Basiliensis (1974 bis 1992). 1974 gründete er Hespèrion XX (jetzt: Hespèrion XXI), ein Ensemble, mit dem er sich ursprünglich speziell dem Repertoire der frühen Musik der iberischen Halbinsel widmete. Qauch die 1987 von ihm gegründete Capella Reial de Catalunya war ursprünglich auf die Interpretation ganz früher geistlicher Musik spezialisiert. Der Wirkungskreis dieser Ensembles wurde nach und nach erweitert, und so kam schließlich 1989 noch das auf Originalinstrumenten musizierende Kammerorchester Le Concert des Nations dazu. Bis herauf in die Romantik ging Savall mit seinen Ensembles, aber renaissance und Barock blieben seine Schwerpunkte, und auch die Gambe hat Savall nie beiseite gelegt, auch als für ihn das Dirigieren deutlich mehr Raum einzunehmen begann.

Über ein halbes Jahrhundert hat Jordi Savall auch als Musikologe die Aufführungspraxis Alter Musik nachhaltig mitbeeinflusst. Er ist da – anders als Nikolaus Harnoncourt, der im Alter ein deutlich anderes Repertoire bevorzugte – nie als Interpret und Musik-Erforscher „aus der Zeit gefallen“. Bis heute ist Savalls Umgang mit der Alten Musik ein aktueller, ausgerichtet am jeweils neuesten Wissensstand. Besonders aufschlussreich waren Savalls Erkundungen zeit- und geistesgeschichtlicher Zusammenhänge in CD- und Konzert-Anthologien, aus denen auch wunderbar erhellende „Hörbücher“ erwuchsen. So hat er nicht nur das Jahrhundert des Christoph Columbus musikalisch erhellt, sondern auch das Zeitalter des Alfonso il Sabio erschlossen. Damals, im 13. Jahrhundert wurde in Spanien plötzlich die Feindschaft zwischen muslimischer und europäischer Kultur begraben – freilich nur für eine vergleichsweise kurze Zeitspanne.

Man versteht vor diesem humanistischen Hintergrund seines Wirkens gut, dass Jordi Savall 2014 den an ihn verliehenen Premio Nacional de Música zurückgab. In einem offenen Brief begründete er dies mit der „gravierenden Inkompetenz“ und dem „dramatischen Desinteresse“ der damaligen spanischen Regierung gegenüber dem kulturellen und musikalischen Erbe des Landes, speziell auch jenem Kataloniens. Nicht ohne Grund wurde Jordi Savall 2008 zum „Botschafter der Europäischen Union für den kulturellen Dialog“ und gemeinsam mit seiner 2011 verstorbenen Frau, der Sängerin Montserrat Figueras, im Rahmen des UNESCO-Programms „Botschafter des guten Willens“ zum „Künstler für den Frieden“ ernannt.

1998 gründete Savall das Label Alia Vox, bis heute einer der angesehenen CD-Verlage für Alte Musik. Mehr als 230 Schallplatten und CDs hat Jordi savall aufgenommen. Seine Präsenz in den Konzertsälen der welt und die hohen Verkaufszahlen von Alia Vox bedingten einander. So ist Savall nicht nur zu einem unbestechlichen Vermittler, sondern auch zu einem der besten Vermarkter alter Musik geworden, ohne dass er seine musikalische Lauterkleit je verraten hätte.

In der vorweihnachtlichen Lockdown-Zeit hat Jordi Savall in Graz die ersten drei Teile von Bachs Weihnachtsoratorium aufgenommen.

Die Teile eins, zwei und drei von Bachs Weihnachtsoratorium, aufgenommen am 21. Dezember 2020 im Grazer Stephaniensaal
Bei der Styriarte wird Jordi Savall heuer im Juli in Graz Orchestermusik aus Versailles und in Stainz eine Marienvesper aus Chorwerken von Händel, Fux und Vivaldi dirigieren.
In den Festspielkonzerten am 20. Juli und 22. Juli sind einmal die Totenmesse des Cristóbal de Morales und dann Monteverdis Madrigali guerrieri et amorosi  zu hören, beide Male kontrastiert von zeitgenössischer Musik mit dem Klangforum Wien.
Das Weihnachtsorastorium als Ganzes ist 2020 bei Alia Vox als Doppel-CD erschienen, mit der Capella Reial de Catalunya und Le Concert des Nations.
Bilder: Salzburger Festspiele / David Ignaszweski (1); Styriarte / Filmstills (2)

 

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