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Dem Scharlatan geht es an den Kragen

STYRIARTE / OPER / IL CIARLATANO

14/07/21 Gehöriger Rumor ist zu vernehmehen, und dann biegt sie auch schon ums Eck, die fahrende Operntruppe mit ihrer wenig Zutrauen erweckenden fahrbaren Mini-Bühne, die man „Baldracca“, alte Schachtel, genannt hat.

Von Reinhard Kriechbaum

So könnte es ausgesehen haben, wenn I Pagiacci irgendwo in Süditalien auf der Bildfläche aufgetaucht sind. Die Kollegen dieser Gruppe, die unter Patronanz der Styriarte dieser Tage durch Provinzstätte im Süden der Steiermark tingelte, haben es (noch) nicht zu vergleichbarem Ruhm gebracht wie Leoncavallos Oper. Aber sie hatten Noten dabei, die kennen zu lernen sich lohnte: Giovanni Battista Pergolesi (1710-1736) ist mit einem einzigen Werk, La serva padrona, in der Operngeschichte fest verankert.

Ein Jahr danach, 1734, komponierte er ein Opern-Intermezzo mit ursprünglichem Titel La contadina astuta (Die listige Bäuerin). Das große Werk, für das diese Petitesse als Pausenfüller diente, war die Seria-Oper Adriano in Siria. Sie ist bei der Uraufführung hoffnungslos durchgefallen. Aber das Buffo-Intermezzo hat dem Publikum gefallen und ist von reisenden Operntruppen unter verschiedenen Titeln in ganz Europa nachgespielt worden. Unter einem dieser Titel, Il Ciarlatano, hat man's nun bei der Styriarte bekannt gemacht. Tracollo ist ein Erzgauner, und Livietta ist das bauernschlaue Landmädchen, das den „Scharlatan“ erst beinah an den Galgen bringt und ihn nach einigem hin und her in den Hafen der Ehe einlaufen lässt. Ein Schelm, wer argwöhnt, dass der Tunichtgut da eine ziemlich kompetente Komplizin für künftige Scharlatanerien erheiratet haben könnte...

Ein feiner Straßentheater-Stoff und eine wirkkräftige Musik für einen Mezzosopran und einen Bariton. Vor allem letzterer – Dietrich Henschel sang den „Scharlatan“ Tracollo – ist geradezu verschwenderisch mit Musik bedacht, in der er seine Verschlagenheit zeigen und dann, enttarnt und überführt, mit viel Affekt sein vermeintliches Unglück beklagen kann. Livietta ihrerseits – die blutjunge Spanierin Laura Orueta – ist musikalisch als alles andere denn als Unschuld vom Lande ausgewiesen. Auch aus dieser Rolle lässt sich viel Effekt rausholen. Adrian Schvarzstein führte Regie und übernahm gemeinsam mit dem Styriarte-Hausdramaturgen Thomas Höft die Nebenfiguren der Verkleidungs-Gaunerkomödie. Rund um das wackelige Transport- und Bühnengefährt der Operntruppe geht’s rund, und wenn Not am Bühnenpersonal war, holte man eben Leute aus dem Publikum...

Der Cembalist, Blockflötist und Ensembleleiter Michael Hell hat für dieses Projekt nun ein sechsköpfiges Ensemble auf Originalinstrumenten unter dem Namen ÄRT HOUSE 17 zusammengestellt (mit der Neuen Grazer Hofkapelle hat man Il Ciarlatano schon zu Vor-Corona-Zeiten aufgeführt). Als spielfreudig erwies sich diese Gruppe nicht nur auf ihren Instrumenten. So war es wohl wirklich bei reisenden Compagnien: Im Ernstfall hat jeder alles gemacht.

Ach ja, ein Artist war auch dabei, seine Diabolo-Einlage zu Vivaldis La Follia-Variationen war ein Applaustreiber. Fürs Rundherum hat man ja einige pfiffige Musiknummern dazugestellt- unter anderem das Vorspiel zu jener Oper Adriano in Siria, mit der Pergolesi damals hoffnungslos durchgefallen ist.

Die Styriarte in Graz dauert bis 25. Juli – www.styriarte.com
Bilder: Styriarte / Nikola Milatovic

 

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