Tatsächlich ist das Musikfestival Grafenegg nicht nur ein Fixposten in den „Seitenblicken“. Der Sturm auf die Karten – die meisten Konzerte waren heuer schon früh sehr gut gebucht oder sogar ausverkauft – größer denn je. Man sollte sich also in Zukunft nicht zu lange Zeit lassen, wenn man das eine oder andere nicht versäumen will.
Am ersten Wochenende war unter anderen Philippe Herreweghe mit seinem Orchestre des Champs-Elysées zu Gast, und das nach erfolgreichen Auftritten in Edinburgh und Luzern. Ein Mann, der immer wieder nach Authentizität sucht und die Herausforderung liebt. Ein eher unauffälliger Typ unter den Dirigenten, der lieber arbeitet als sich medienwirksam darstellt und so mit seiner bescheidenen Art mit ungemein diffizilen Ergebnissen aufhorchen lässt. Der vielfach ausgezeichnete gebürtige Genter hatte diesmal Bruckner im Gepäck. Das Collegium Vocale Gent und die Academia Chigiana Siena bildeten den überaus homogenen Chor, der zur Umsetzung des „Te Deum“ notwendig ist. Vor allem die Anforderungen an den Sopran sind hier enorm und gaben den Sängerinnen Gelegenheit zu einer absolut sauberen Wiedergabe. Christiane Karg fiel mit ihrem warmen Sopran auf, Okka van der Damerau (Alt), Maximilian Schmitt (Tenor) und Tareq Nazmi (Bass) rundeten den Erfolg ab. Vielleicht war die Verschiebung vom Wolkenturm in das Auditorium wegen der unsicheren Wetterlage bei diesem so anspruchsvollen Chorwerk die bessere Lösung.
Bei Bruckners „Neunter“ hätte man sich jedoch eher den Wolkenturm gewünscht. Herreweghe versteht es, mit einer wohldosierten Zeichengebung durch das Werk zu führen. Sein Orchestre des Champs-Elyseés, das schon im „Te Deum“ romantische Züge erkennen ließ, bestand in allen Gruppierungen. Hoffen, Bangen und Zweifeln ziehen sich durch das Werk, das unvollendet hinterlassen wurde. Für das dynamische Auf und Ab nahm sich Herreweghe viel Zeit und vermied Spektakuläres. Schön so. Warum wurde das „Te Deum“ eigentlich nicht hintangestellt? Das wäre auch im Sinne von Anton Bruckner gewesen.