Eine Sternstunde

GRAFENEGG / THIELEMANN / STAATSTKAPELLE DRESEDEN

10/09/12 Die Sächsische Staatskapelle Dresden gastierte nach Konzerten in Frankfurt, Köln und München im Rahmen ihrer Antrittstournee unter ihrem neuen Chef Christian Thielemann in Grafenegg. Eine Sternstunde.

Von Wolfgang Stern

Es war nicht Salzburg, auch nicht Wien, sondern Grafenegg, wo der 53-jährige Berliner sein österreichisches Antrittskonzert mit dem Traditionsorchester gab – mit Wagner und Bruckner, einer wohl nicht zufälligen Kombination. Christian  Thielemann hatte Fabio Luisi als Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden abgelöst. Ein Italiener als Chef bei den Sachsen war vielleicht doch nicht die richtige Kombination. Mentalitätsmäßig wird es sicher jetzt besser klappen, immerhin hatte man ja schon länger miteinander geliebäugelt. Die Salzburger Osterfestspiele haben diese Chance nach dem Abgang der Berliner Philharmoniker genützt und harren gespannt der Dinge, die 2013 kommen werden. Das Match Salzburg gegen Baden-Baden kann beginnen.

Zunächst aber Grafenegg: Bei herrlichstem Spätsommerwetter gestaltete sich der Dresdner Abend zu einem Abend der Superlative: Thielemann – auswendig agierend – als meisterhafter Umsetzer von Spannungen, aber auch als einer, der Musik visualisiert und die Mosaiksteinchen der Partitur in Portionen serviert, zwischen denen Stille herrscht. Schon bei Wagners „Vorspiel und Isoldes Liebestod“ spielte der Begriff Zeit kaum eine Rolle. Dynamisch und agogisch entstanden Spannungen, die über das Maß vieler anderer Interpretationen hinausgehen. Man hat das Gefühl, dass der Stardirigent auch dann noch etwas draufsetzen kann, wo andere schon längst aufgehört haben.

Nicht anders nach der Pause bei Bruckners Symphonie Nr. 7 E-Dur. Thielemann badet im Auf und Ab der dynamischen Zeichen und führt ein Orchester, das auf jeden kleinsten Fingerzeig reagiert und gerne die flexiblen Tempi annimmt, die einen gewissen Freiraum zulassen.

Apropos Orchester: Es fiel auf, dass besonders bei den Bläsern eine starke Verjüngung einsetzte. Es ist anzunehmen, dass neu ausgeschriebene Stellen unter diesem Chef sehr gefragt sind. Das tut sicher gut, vor allem nach dem Ausverkauf in den 70- und 80-er-Jahren, wo nicht immer alle Mitglieder nach Westtourneen die Heimreise antraten.

Gemeinsam präsentierte man in Grafenegg jedenfalls Bruckner in Vollendung. Absolute Ausgewogenheit bei den Streichern, sattes Blech und feines Holz, alles Elemente für eine exquisite Mischung. Wie himmlisch war das Adagio oder das Trio im dritten Satz…

Thielemanns österreichisches Antrittskonzert wurde zum Höhepunkt des Festivals. Sieben Jahre Ehe mit der Staatskapelle sind erst einmal geplant. Die Grundsympathie ist zu erkennen. Hoffentlich gibt es kein verflixtes siebentes Jahr. Doch jetzt kommt erst einmal eine Asientour, dann die Wagnergala in Baden-Baden (24. Februar 2013), die Wagner-Geburtstagstournee nach Venedig und Wien im Mai - und natürlich viel Zeit für Dresden mit Semperoper und diversen Konzerten.

Tags zuvor, ebenfalls am Wolkenturm, bot Michael Tilson Thomas mit dem London Symphony Orchestra die „Erste“ Mahlers und Beethovens 3. Klavierkonzert (Emanuel Ax eher emotionslos aber korrekt als Solist) solide Wiedergaben.

Das Festival in Grafenegg war 2012 auch wirtschaftlich wieder erfolgreich: Die 14 Abendkonzerte des Festivals wurden von insgesamt 21.650 Besuchern frequentiert. Dies entspricht einer Auslastung von 96 Prozent. Mit 40.150 Gästen in der gesamten Sommersaison (21. Juni bis 9. September) konnte die Besucherzahl aus dem Vorjahr um neun Prozent gesteigert werden. Der Erlös aus dem Kartenverkauf liegt 24 Prozent über Plan.

Bild: www.grafenegg.com