Von lustigen Tirolern und übergroßer Alpenromantik

HINTERGRUND / VOLKSMUSIKPFLEGE / STILLE NACHT

26/06/18 Es waren Tiroler Sängerfamilien, fahrende Händler, Tänzer und Gaukler – vorwiegend aus dem Zillertal – die „Stille Nacht!“ und viele andere Volkslieder in die weite Welt getragen haben. Daher der Titel „Klang der Alpen – von Tirol in alle Welt“ der Schau im Barockschloss und der Widumspfiste in Fügen im Zillertal.

Es ist nicht irgendeine Ausstellung – es ist der erste Teil jener Landesausstellung, die man an sieben Standorten in Salzburg und eben auch in zwei Gemeinden in Tirol dem „Stille Nacht“-Jubiläum widmet. Tiroler Sänger also gingen auf Tournee im frühen 19. Jahrhundert, ihr Erfolg hatte mit romatntischer Alpensehnsucht ebenso zu tun wie mit dem Tiroler Nationalhelden Andreas Hofer.

„Reisende Sängergruppen hatten im frühen 19. Jahrhundert bei ihren internationalen Konzertreisen neben Jodelliedern über Heimat, Liebe und Berge auch das heute wohl berühmteste Weihnachtslied im Gepäck“, erklärt Sandra Hupfauf , Kuratorin der Schau in Fügen. Die Ausstellung gibt in mehr als dreißig Räumen und auf 1.500 Quadratmetern Einblicke in rund 200 Jahre Erfolgsgeschichte der alpinen Musik. In etwa einem Drittel der Räume geht es speziell um das Stille Nacht-Thema. Dass danach die Musik der Region ein Export-Dauerbrenner blieb, sei der Allianz mit dem frühen Tourismus zu verdanken, erklärt Sandra Hupfauf. „Der „lustige Tiroler“ - immer jodelnd und tanzend - ließ sich gut verkaufen, auch als Kontrastprogramm zum Schweizer. Dieser hatte die Berge zwar viel früher erschlossen, aber statt mit der Zuordnung 'fleißig und findig' mit dem Vorurteil 'ernst und geizig' zu kämpfen.“

Wie also darf man sich Musikantenstadl-Tourneen der damaligen Tiroler Gruppen vorstellen? „Die ersten Sängerfamilien bauten auf den traditionellen Formen auf: Schnaderhüpfel-Singen, das Ländler-Tanzen, überlieferte Melodien, das Jodeln, bald die Zither“, so Sandra Hupfauf. „Allerdings war das Auftreten in einem Konzertsaal etwas völlig anderes als im Wirtshaus daheim - das ausländische Publikum verlangte nach einem abwechslungsreichen Programm. Endlose Gstanzln in einem unverständlichen Dialekt hatten schnell ausgedient: Das Jodeln war ja viel spektakulärer!“

Die Verbreitung von „Stille Nacht“ - als „ächtes Tyrolerlied“ wurde es gehandelt – sei also wohl nur ein Nebenprodukt solcher Konzertreisen gewesen, vermutet die Musikethnologin, die auch anmerkt: „Eines muss man den frühen Nationalsängern lassen – hier durften Frauen bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts öffentlich auf der Bühne auftreten.“

Sandra Hupfauf erklärt auch, dass die kommerzielle Verwertung von volksmusikalischem Allgemeingut bald auch auf entschiedenen Widerspruch gestoßen sei, „denn Volksmusik war immer auch ein Rückzugsort, vor allem in Zeiten großer gesellschaftlicher Umbrüche – ein Faktum, das Ideologien auch gerne ausnutzen“.

Die Aufbruchstimmung der 1950er und 1960er Jahre brachte den Musikfilm, den Schlager, ein Spiegel der damaligen Gesellschaft. „Darauf folgten Glitzer, Glamour und goldene Schallplatten.“ Die Sehnsucht nach der Natur, dem einfachen Leben und der Gemeinschaft sei damals wie heute eine starke Grundlagen für den Erfolg mit Volksmusik, den schon die Sängerfamilien Rainer (Fügen) und Strasser (Laimach) im frühen 19. Jahrhundert einheimsten. Ausstellungsleiter Hannes Pramstraller fassst zusammen: „Damit haben sie den Beginn des Tourismus in unserer Region eingeläutet und die Alpen zum Sehnsuchtsort für Gäste aus der ganzen Welt gemacht – und das bis heute.“

Die Ausstellung in Fügen im Zillertal ist bis 3. Februar 2019 geöffnet. Die Salzburger Teile der dislozierten Landesausstellung werden am 29. September eröffnet – www.fuegen.at
Bilder: LMZ / Ausstellungsfolder / Martin Reiter