Erfolgreicher Blindgänger im Museum

FESTSPIELE / YDP / PREISVERLEIHUNG

24/08/11 Der Preis beim Young Directors Project ist heute, Mittwoch (24.8.), für jene Produktion vergeben worden, mit der man Balsam auf die heuer in einigen freien Theaterproduktionen ach so arg malträtierten Seelen gestrichen hat: „Symphony of a Missing Room“ von dem Duo Christer Lundahl/Martina Seitl.

Von Reinhard Kriechbaum

Ein mutiges Statement zu einer amerikanischen Theatergruppe, zum New Yorker „The TEAM“ und seinem unorthodox-popkulturellen Zugang zur Geschichte und Fortschrittsideologie des eigenen Landes – das wäre eine Option gewesen. Die radikale Performance von SIGNA in einer Privatvilla, die den Zuschauer hinein katapultiert hat in ein Klima des Entsetzens um Osteuropa-Frauenhandel, eine andere. Aber Freunde, nicht solche Töne, nicht mal in der Theater-Schmuddelecke der Salzburger Festspiele, obwohl dort ja eigentlich Narrenfreiheit herrscht!

Das Selbsterfahrungsprogramm für die Ultra-Sensibelchen war also der gemeinsame Nenner, auf den sich die Jury – von Theaterseite mit Birgit Minichmayr und Klaus Maria Brandauer besetzt – hat einigen können. Die Produktion überzeuge durch die „hohe Qualität der Gedanken, der Konzeption, der Mitwirkenden und der Ausführung“. Mehr Allgemeinplätze gehen nicht? Doch: „Die poetische Führung und Verführung in Phantasiewelten und eigene Innenräume wird zum Gesamterlebnis für einen selbst.“

Bei der Preisverleihung im republic hat man sich gar nicht eingekriegt vor lauter Eigenlob darüber, mit dem Mitmach-Theater („immersives Theater“, sagt man klug) und vor allem mit Produktionen, die im Teamwork entstehen, ganz vorne dran zu sein. Letzteres hatten sie sich ja aufs Banner geschrieben, der scheidende Schauspielchef der Festspiele, Thomas Oberender, und seine Kuratorin Martine Dennewald, die das Young Directors Project ebenfalls heuer zum letzten Mal betreut hat. Gespannt darf man sein, wie sich das Projekt weiterentwickeln wird. Der Fördervertrag mit Montblanc ist für weitere drei Jahre unterzeichnet (mit Option auf fünf Jahre).

Der größte Haken im Moment ist die internationale Weitschweifigkeit. Um eine schärfere Profilbildung wird Sven-Eric Bechtolf, ab nächstem Jahr Leiter des Schauspiels, nicht umhin kommen. Wird man weiterhin im Trüben fischen und leise hoffen, wirklich frische Fische zu angeln? SIGNA auf der Schiene vermeintlich zu entdeckender Newcomer zu verkaufen, war jedenfalls frivol.

Für die Preisverleihung hat man Matthias von Hartz, den Chef des Hamburger Kampnagel-Festivals, zu einem Impulsreferat geladen. Wie zu erwarten eine klare Position für die freien Gruppen: Wir hätten im deutschsprachigen Raum „das reichste Theatersystem der Welt, und trotzdem findet Zukunft woanders statt“. Neunzig Prozent des Geldes fließe in die Stadt- und Staatstheaterlandschaft, aber von dort „kommen nur zehn Prozent der Innovation“. Anderswo – etwa in Holland oder Belgien – fördere man „Kunst und nicht Architektur“ (im Sinn von: Institutionen, die herkömmliche Theaterbauten bespielen).

Andere Länder hätten andere Theatersysteme, „mit Möglichkeiten, von denen man hierzulande nur träumen kann“. Daher Matthias von Hartz‘ Appell an die Kulturpolitik: „Es gilt, zukunftsträchtige Initiativen zu stärken und nicht alte Institutionen zu sichern.“

Keine Frage, von Hartz hat in vielem recht. Aber sind ausgerechnet die Salzburger Festspiele der rechte Ort für solche Überlegungen? Immerhin zeigten die Erfahrungen der letzten Tage, dass zum Young Directors Project nicht nur „Eingeweihte“ kommen, sondern dass sich auch „gewöhnliches“ Festspielpublikum zur einen oder anderen Aufführung verirrt hat. Heute Riccardo Muti und Verdis „Macbeth“, morgen SIGNA? Wer Plüschsessel und Guckkastenbühne erwartete, für den war das YDP ein Schock. Ob ein heilsamer, bleibe dahingestellt.

Bilder: SFS / Wolfgang Lienbacher
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