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Von guten Mächten treu und still umgeben

FESTSPIELE / YDP / SYMPHONY OF A MISSING ROOM

22/08/11 Fühlen sich gut an, die feingliedrigen Finger, die zarten Frauenhände, die meistens so schnell wieder weg sind, wie man sie erhascht hat. Eigentlich täte ich gerne die ganze Dame – sicherlich eine ganz zarte, feine – kennen lernen. Aber das spielt es nicht in dieser Performance im Museum der Moderne auf dem Mönchsberg.

Von Reinhard Kriechbaum

Im ersten Moment fühlt man sich schon etwas allein gelassen. Die weißen Augenbinden lassen nicht mehr zu als Hell und Dunkel zu unterscheiden. Aber da kommt auch schon wieder die Vertrauen spendende Stimme aus den Kopfhörern, die man schon vorher kennenlernen durfte. „Come“ oder „Turn around“ …

Wer SIGNA neutralisieren muss, ist bei der „Symphony of a Missing Room” von Christer Lundahl und Martina Seitl richtig. Die beiden haben sich ein Selbsterfahrungsprogramm für die Ultra-Sensibelchen ausgedacht. Kein lautes Wort, höchstens hallende Schritte. Gemurmel, das näher kommt oder sich entfernt. Räume, die akustisch ins Unermessliche wachsen oder die so niedrig scheinen, dass man den Kopf einzieht und in die Knie geht. In einer Episode bläst einem der Wind ins Gesicht, man hört Vogelgezwitscher und die führenden Hände fühlen sich an, als ob die Dame davonfliegt. Die Lichtquelle ist unten, ist man schon über der Sonne unterwegs? Auch Wolke sieben fühlt sich an den Fußsohlen nach Museums-Estrich an. Das ist ein wenig ernüchternd.

Sonderbar eigentlich, wenn im Museum ausgerechnet der Sehsinn weggeblendet wird. Aber Lundahl/Seitl haben sich natürlich gerade dabei etwas gedacht. Erwarte das Unerhörte – auch ein Museum ist nicht so total leise, wie man es vielleicht empfindet. Und die imaginäre Reise es geht ja bald hinaus, kommt einem vor: Die Türen ächzen und Quietschen wie jene von einer Scheune. Das akustische Environnement – technisch perfekt abgemischt – passt in vielerlei Umgebungen. Einmal darf man die Wand antasten. Kunstwerke zum Begrapschen scheint es nicht zu geben in diesem Museum, die sind wohl verloren gegangen wie der Raum und seine Funktion selbst.

Auf den eigentlichen „Blindflug“, der eine gute halbe Stunde dauert, wird man gut eingestimmt und auch wieder sanft hinaus geleitet. Da reicht es die Augen zu schließen und zu hören. Ertappt! Es blinzelt ja doch ein jeder keck zu unerlaubter Zeit …

Wer aufpasst wie ein Haftelmacher, wird manchmal erkennen, das Sein und Schein auseinanderklaffen, dass die klang-imaginierten Räume irreale Komponenten haben. Aber das ist was für die Spitzfindigen. Ich hab mich ganz auf die mich leitenden Frauenhände konzentriert. Sie gehörten wohl zwei Damen, unterschiedlicher Körpertemperatur nach zu schließen. Bonhöffers Gedicht "Von guten Mächten treu und still umgeben" kommt mir in den verwirrten Sinn. Lust, nicht nur den gereichten Finger, sondern wenigstens die ganze Hand zu ergreifen. Vom „wohligen Nach-Reiz eines intuitiven Kontakts“ kann man im Programmheft lesen. Was den Dramaturgen immer so poetisches Zeug einfällt.

Im Lift plötzlich nicht nur die Hände, sondern das ganze Wesen zum Greifen, zum Tasten, zum Erhaschen nah. Bloß jetzt nicht die Kontrolle verlieren, nicht grapschen! Sonst heißt es womöglich nachsitzen bei SIGNA. Und das wäre der Hammer für die eben so wohlig klanggestreichelte Seele.

Bis 26. August im Museum der Moderne auf dem Mönchsberg. – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: Wolfgang Lienbacher

 

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