Musik-Tänzer aus Sibirien

MOZARTWOCHE / WIENER PHILHARMONIKER / TEODOR CURRENTZIS

31/01/13 Proben sind schon zu was gut. Teodor Currentzis, der am Mittwoch (31.1.) bei der Mozartwoche seinen Philharmoniker-Einstand gab, hat ganz offensichtlich viel dabei gelernt.

Von Reinhard Kriechbaum

Vor allem dürfte er in Sachen Choreographie profitiert haben. Die Wiener Philharmoniker spielen ja, wenn man sie nur lässt, einen so schönen Mozart! Dazu bewegt sich der Dirigent, der es in Sibirien, aber auch schon drüber hinaus zu einer gewissen Bekanntheit gebracht hat, bewundernswert geschmeidig. Unter allen fracktragenden Jungvögeln dürfte er einer der aufgeregtesten Flügelflatterer sein. Solange man sich aufs Zuschauen verlegt und die Meldungen der Ohren tunlichst ausblendet, ist das ziemlich beeindruckend.

So hat also die Linzer Symphonie ein vielleicht etwas beiläufiges, aber doch einigermaßen stimmiges Ende gefunden. Wer anständigen Mozart hören will, hat in diesen Tagen zwischen Musiciens du Louvre und Cercle d’Harmonie, zwischen Camerata, Mozarteumorchester und Sinfonieorchester der Universität Mozarteum ja in Salzburg ausreichend Auswahl.

Man muss nicht zu den Wiener Philharmonikern, die ihr Publikum wieder einmal sehr deutlich haben wissen lassen, dass ihnen ein junger Herr am Pult nicht wirklich behagt. Aber was können wir Zuhörer dafür?

Konzertmeister Rainer Küchl hat an dem Abend ungefähr so dreingeschaut wie Thomas Klestil bei der Angelobung des Schüssel/Haider-Kabinetts. Und er war wohl nicht der einzige, der sowohl der aus der Taufe zu hebenden Orchesterfassung von Mozarts c-Moll-Fantasie als auch dem Klavierkonzert KV 491 mit Pierre-Laurent Aimard mit mulmigen Gefühlen entgegen schaute.

Johannes Maria Staud hat also instrumentiert, aus eigener Überzeugung, wie es heißt. Und im Auftrag der Stiftung, die ihn heuer als Composer in residence engagiert hat. Vermutlich haben Teodor Currentzis und die Philharmoniker Stauds Arbeit gründlich missverstanden, indem sie tonlich eine ziemlich unvollendete „Unvollendete“ draus machten, mit viel waberndem Vibrato. Aber ehrlich: Schubert könnte man so auch nicht spielen. Staud hat jedenfalls aus dem Vollen geschöpft, tunkt uns mit Kontrabässen, Posaunen und Fagotten (mitsamt Kontrafagott) tief in die Mollbrühe. Ein paar Mal sticht helles Holz leicht karikierend hervor.

Dem von Mozart für sein famoses Klavierwerk vom Barock herübergezogenes Fantasie-Modell eignet Kleingliedrigkeit und es verlangt nach Spontaneität. Überträgt man das auf Orchester, bleibt sprödes Flickwerk. Aber wer weiß: Würde man das tonlich abschlanken, ein wenig klang-bewusster und geschärfter spielen, vielleicht täten sich neue musikalische Perspektiven auf. Das Stück harrt wohl noch seiner echten Uraufführung – das hier war bloß Quälerei.

Und die Paarung Pierre-Laurent Aimard (Klavier), Teodor Currentzis (Pult-Tanz) und Wiener Philharmoniker (zerknirschte Orchesterpflicht-Erfüllung)? Reden wir lieber vom Wetter. Wie Aimards Mozart-Spiel tatsächlich klingt, im Dialog mit dem Chamber Orchestra of Europe, sollte man auf CD nachhören. Und Teodor Currentzis braucht man nicht nach Sibiren in die Verbannung schicken. Er ist eh schon dort, als Opern-Chef in Perm.

Hörfunkübertragung am 10.2. um 11.03, Ö1
Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher
Zur Konzertbesprechung Verschenktes c-Moll
Zum Porträt Von Athen nach Novosibirsk