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Keine Frauen in der Seenot der Männer

LANDESTHEATER / UND ALLES SO STILL

06/04/25 „Wir sind Frauen, wir retten jedes sinkende Schiff“, sagt eine, die immer noch mitspielt im System Männerwelt. Lapidar drauf eine andere: „Jetzt sinkt es eben.“ In ihrem Roman Und alles so still, jetzt in dramatisierter Form auf der Bühne des Salzburger Landestheaters, lässt Mareike Fallwickl das Männerschiff bedrohlich schlingern.

Von Reinhard Kriechbaum

Ob es je sinken wird? Daran glaubt die Autorin vermutlich eben so wenig wie viele andere Feministinnen. Aber bewusst machen, wer die nicht sonderlich ambitionierten Kapitäne und Steuermänner und wer die unermüdlichen Matrosinnen und beflissenen Schiffsretterinnen sind – das ist allemal eine wichtige Sache. In dem Roman Die Wut, die bleibt, der es am gleichen Ort  2023 zu Festspiel-Bühnenehren brachte, hat Mareike Fallwickl das Thema der täglichen Forderung/Überforderung im familiären Umfeld festgemacht: Als der Familienvater auch noch das fehlende Salz am Tisch reklamiert, begeht die Mutter Suizid. Schlecht bis unbezahlte Care-Arbeit ist diesmal das Thema. Und wie als positiver Wink kommt es diesmal zum kollektiven, wort- und tatenlosen Protest der Frauen.

Da liegen sie also – überschaubar an Zahl auf der Bühne des Landestheaters – regungslos da. „Hoffentlich sind sie nicht angeklebt“, sagt ein Polizist, der mit einem Kollegen zum Auflösen der Liege-Demonstration abkommandiert ist.

„Was sollen sie uns tun, was sie uns nicht schon längst getan haben?“ Mit diesem entwaffnenden Argument zerstreut Iris, die Seniorin und Anführerin in der Frauenrunde, die Bedenken hinsichtlich drohender Repressalien der Männerwelt, die soeben aus den Angeln gehoben wird. Denn „es schließen sich immer mehr Frauen an“, und die fehlen im Spital ebenso wie sonst überall. Der Macho-Junggeselle, der sich gerne Pornos reinzieht, muss auf die Putzfrau verzichten und der Arzt auf die Sprechstundenhilfe (es ist seine Frau, die eigentlich auch ein Medizinstudium abgeschlossen hat).

Mareike Fallwickl macht den Generalstreik der Frauen an einer Familiengeschichte fest und garniert diese mit einigen Randfiguren, um den Blickwinkel auszuweiten. Iris (Gertraud Ingeborg) ist die Mutter von Ruth (Britta Bayer) und Alma (Tina Eberhard). Aus Ruth ist, nach herben persönlichen Schicksalschlägen, eine Krankenpflegerin geworden, die schier birst vor Aufopferungswillen. Ihre Schwester hat sich ausgeklinkt aus dem Familienverband und steht als Hotelbesitzerin „ihren Mann“. Auch keine Option.

Ihre Tochter Elin (Nikola Jaritz-Rudle) zeigt als Männer-Vernascherin und Influencerin feministisch-rebellische Tendenzen, bis sie im Frauenversteher Nuri (Aaron Röll) einen unerwarteten Mitstreiter in der feministsischen Sache findet. Dieser Nuri strampelt sich im Wortsinn ab (als Fahrradbote) und erledigt auch andere undankbare, prekäre Jobs. Er hat einen Blick für systemimmanente Ausbeutung, die nicht nur Frauen, aber diese eben ganz besonders trifft.
Regisseurin Susanne Schmelcher hat die Bühnenfassung erstellt und dreht energisch an der Schraube zur Farce. Das ist keine schlechte Methode, wenn es gilt zu zeigen, wie selbstverständlich gemeinhin der Einsatz von Frauen im Care-Bereich vorausgesetzt wird. Sie sind immer gefordert, ständig in Bewegung. Die Drehbühne rotiert oft und oft, und das simple Bühnenbild von Eva Musil erlaubt eine dichte Szenenfolge ohne Innehalten. Da kommt man sogar als Zuseher außer Atem.

Eine Szene, die ans Herz greift: Wie sich viele nach Hilfe heischende Hände aus einer Lamellen-Vorhangwand herausstrecken und Ruth gehetzt zwischen ihnen und dem Tisch hin und her hetzt, wo sie jeden Pflege-Handgriff dokumentieren muss. „Stehen bleiben ist keine Option“, sagt sie, der übermenschlichen Herausforderung trotzend. Schließlich wird aber auch sie auf dem Boden liegen – aber nicht wie ihre Geschlechtsgenossen als stumme und bewegungsstarre Protestiererin, sondern ausgelaugt, am absoluten Ende ihres Leistungsvermögens. . 

Zwei allegorische Figuren illustrieren die Geschlechter: „Die Gebärmutter“ (Larissa Enzi) schaut verdächtig nach einem Wesen mit Narrenkappe aus. Narren dürfen bekanntlich die Wahrheit sagen, und die hören wir Männer in dem Fall nicht so gern. Fürs Maskuline steht „Die Pistole“ (Fabian Lichottka), ein cooler Typ im Western-Look, der sich als Schubladen-Existenz unterbeschäftigt fühlt. Im Trump-Amerika müsste man sein, dann gäb's manche Probleme und vielleicht dieses Stück gar nicht.

Mareike Fallwickl, die geeichten Zeitungskolumnistin, weiß, wie sie ihre Anliegen an den Mann – und noch viel besser – an die Frau bringt. Das darf schon ein bisserl klischeehaft sein, weil Klischees bekanntlich auch nicht aus dem Nichts kommen. Vor feministischen Theoriewerk braucht man sich bei ihr nicht zu fürchten, sie schöpft aus dem prallen Frauenleben, das kein Ponyhof ist. Nuri bleibt als sympathisierender Mann in der Frauenrunde womöglich nicht ganz allein. Vielleicht sitzt ja der eine oder andere Nuri auch im Publikum, der „über Gefühle reden lernen“ will. Ach Gott!

Das Premierenpublikum dieser österreichischen Erstaufführung zeigte sich diesmal nicht weniger enthusiasmiert als jenes bei den Festspielen vor zwei Jahren. Mareike Fallwickl versteht ihr Handwerk und die Regisseurin Susanne Schmelcher nicht minder. Und alles so still ist eine programmierte Erfolgsproduktion mit optimalen Identifikationsmöglichkeiten für alle Altersstufen und sogar Geschlechter.

Aufführungen bis 15. Juni - www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater
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Nach der Wut kommt das Schweigen

 

 

 

 

 

 

 

 

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