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Wannst a Masel hast...

LANDESTHEATER / MY FAIR LADY

09/12/19 Da steht Eliza Doolittle, im Häkelblumenjackerl und altmodischen Faltenrock, dem Dandy Henry Higgins gegenüber. Er spricht diesem ur-sympathischen Wesen, dem der Schnabel so wienerisch gewachsen ist wie nur, kurzerhand das Menschsein überhaupt ab. My Fair Lady mit der wunderbaren Ilia Staple in der Titelrolle im Salzburger Landestheater.

Von Reinhard Kriechbaum

„Erhängen für kaltblütigen Muttersprachen-Mord“, empfiehlt Higgins, wogegen sein Linguisten- Fachkollege Oberst Pickering sie immerhin als „bezaubernd ordinär“ einstuft. Wovon träumt eine solche im verbalen Ausdruck, sagen wir: naturbelassene junge Dame? Im üblichen Text-Original von einem „Kämmerchen irgendwo, mit 'nem Sofa ja sowieso“, in Gerhard Bronners charismatischer Wiener Dialektfassung von von einem „winzigen Kabinett, wo ein kleiner Ofen steht“. Jedenfalls träumt sie nicht von einem Raum mit grauen Bücherregalen bis zum Plafond, und sie träumt nicht von Sprachübungen à la „Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen“. Dort, wo es in die Welt der Hautevolée geht, blieb Bronner ganz nahe an der Übersetzung von Robert Gilbert, und das gibt reizvolle Spannungen.

Eliza hat im Ernstfall tolle Vokabel im aktiven Wortschatz, und so richtig kariert wird’s, wenn ihr Vater Alfred P. Doolittle aufkreuzt, „a gewöhnlicher Mistkübler“ in oranger Weste. Der wird später, „ausstaffiert wie a lausiger Pompfüneberer“, auch nicht viel besser dran sein als seine Tochter im atemberaubenden Abendkleid, die ihrerseits mit ihren sprachlichen Ausrutschern dem jungen Freddy Eynsford-Hill den Atem geraubt hat: Der steht auf solche neumodernen Ausdrücke...

So gediegen und aufmerksam gesprochen jedenfalls wird im Salzburger Landestheater selten, und das liegt auch daran, dass Regisseur Andreas Gergen mit sicherer Hand Leben in die reine linguistische Lehre (die eine einzige graue Bücher-Leere ist) bringt, ganz ohne übertriebene Harlekinaden. Da eine gute Mitte gefunden zu haben, gehört zu den Meriten dieser wunderbar stimmigen Produktion. Sie lässt nie die gesellschafts- und vor allem gender-kritische literarische Vorlage, Pygmalion von George Bernhard Shaw, vergessen.

Eine wunderbare Aufführung vor allem wegen der Darstellerin der Eliza. Ilia Staple, sonst im Ensemble des Münchner Gärtnerplatztheaters, ist so wandlungsfähig, dass man ihr das Gehabe und vor allem Sing- und Sprechstimme in beiden Gesellschaftsschichten taxfrei abnimmt. Jeder Mann tut gut daran, ihr zornig hinaus geschleudertes „Wart's nur ab, Henry Higgins“ ernst zu nehmen. Dass sie, auf gut Wienerisch, die Ang'schmierte ist bei dem linguistischen Kabinett- und Feldversuch, aus der Ungehobelten eine Dame von Welt zu formen, durchschaut diese Eliza wohl von der ersten Minute an. Wie schlimm es kommen wird, ahnt sie vermutlich trotzdem nicht. Nachdem Higgins seine Wette gewonnen hat, den Erfolg ganz und ausschließlich als den Seinen betrachtet, lässt auch Pickering sich mitreißen – Eliza sitzt da und packt's nicht, wie sie von den beiden Männern als regierende Partykönigin zur Nullnummer marginalisiert wird. Da möchte man mitheulen mit ihr.

Diese Szene denkt der Regisseur weiter, und er lässt die Geschichte – eigentlich die einzige Eigenmächtigkeit in der sonst textgenauen Lesart – offen enden. Higgins nimmt den Hut und macht sich auf den Weg. Vielleicht hat er geschnallt, dass er was falsch gemacht hat. Hoffentlich findet er Eliza – oder hoffentlich nicht: Das darf jede(r) im Publikum für sich entscheiden.

Sascha Oskar Weis ist Higgins, das besserwisserrische Ekel, die Herablassung und Frauen-, nein Menschenverachtung in Person. Axel Meinhardt gibt sich als Pickering jovialer, aber eingeübter Macho ist man eben auch... Oliver Floris als Freddy schwärmt mit lyrischem Tenor, am Laternenpfahl lehnend.

Stefan Mayer hat die grauen Bibliothekswände erdacht. Man kann sie aufklappen, und dann fahren via Drehbühne die Utensilien für die anderen Spielorte herein. Da schlägt in einem Schanigarten die Stunde des Georg Clementi. Der Schauspieler und Chansonnier ist ganz in seinem Element. In der Bronner-Fassung singt der alte Doolittle natürlich nicht „Mit 'nem kleen bißchen Glück“, sondern „Wannst a Masel hast“. Ein besonderes Masel hat man im Landestheater mit Marco Dott, der in der Pferderennen-Szene ins Nobelgewand der Mrs. Higgins schlüpft. Eine gar wundersam hintergründige Parodie. Mrs. Higgins ist ja diejenige, die das böse Spiel durchschaut, das ihr Ich-bezogener Sohn mit dem armen Mädchen treibt. Ohne viel zu sagen, hat Eva Christina Just als Haushälterin Mrs. Pearce oft die Lacher auf ihrer Seite.

Dennis Callahan sorgte als Choreograph für Bewegung, Iwan Davies lässt das Mozarteumorchester just in time musizieren, und das klingt voller, als die heikle Akustik im Landestheater befürchten lässt. In dieser Produktion fügt sich eins ins andere, man könnte es nicht besser machen.

Aufführungen bis 16. April 2020 – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Anna-Maria Löffelberger

 

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