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Einen Stream kann man nicht signieren

IM PORTRÄT / ANDREAS VOGL

20/03/20 „Viele CD-Vertriebe legen momentan Lieferstopps ein. Sony und Warner schließen ab sofort ihr Zentrallager in Frankreich.“ Andreas Vogl führt seit elf Jahren die MyHomeMusic Lounge am Universitätsplatz. In der Corona-Krise setzt auch er auf Versand. Andreas Vogl hat ein breites CD-Angebot von Klassik bis Jazz auf Lager – sowie spannende Geschichten über den silbernen Tonträger, der sich noch einige Zeit behaupten wird. Zumindest im deutschsprachigen Raum.

Von Heidemarie Klabacher

„Surreal - die Absage der Osterfestspiele!“ Waren die Osterfestspiele für ihn doch der Grund, sagt Andreas Vogl, dass er ein Opern-Freak wurde. „1996 war es das Akzente-Jugend-Programm, das unsere Schulklasse zum Otello einlud. Domingo! Abbado! Ich kaufte mir damals bei Katholnigg die CD und hörte den Otello vorbereitend jeden Tag.“ Die Klassen-Kolleginnen und Kollegen hätten sich gewundert, aber er sei seither „ein totaler Klassik-Fan“. Schon als Jugendlicher habe er, der später selber einmal im legendären Salzburger Plattengeschäft Katholnigg arbeiten sollte, begonnen, systematisch Komponisten und deren Werke kennenzulernen, „alle Mahler Symphonien, alle Verdi Opern“ anzuhören, Aufnahmen zu vergleichen und vor allem „live in die Oper zu gehen“. Das Studium der Musikwissenschaft in Salzburg - „Professor Jürg Stenzl!“ - folgte quasi „naturgemäß“. Auch einen „Ausflug ins Organistatorische“ hat der demnächst Vierzigjährige unternommen: 2001 und 2002 war er im Betriebsbüro der Tiroler Festspiele für das Orchester und die Sänger für den Ring zuständig.

Es war vor zwölf Jahren dann ein „Risiko mit Perspektive“, sich in der CD Branche selbständig zu machen, sagt Andreas Vogl: „Die MyHomeMusic Lounge war anfangs genau das, eine Homepage mit Wohnzimmervertrieb.“ Schon nach einem Jahr habe sich die Chance auf das Geschäftslokal am Universitätsplatz 6 aufgetan. Im Dezember 2008 wurde eröffnet. Seither teilt Andreas Vogl Lokal und Geschick mit der Glücksfee in der Lottoannahmestelle. Diese ist „keine Trakfik“ und bleibt derzeit ebenfalls geschlossen. So bleibe auch die Laufkundschaft aus. Die aktuelle Krise treffe ihn als Unternemer also durchaus hart. Er könne „als Einpersonen-Unternehmen“ auch nicht, wie etwa viele Buchhändler, zusätzlich zum „physischen“ Geschäft einen Webshop betreiben. „Aber Not macht erfinderisch: Man kann jederzeit bei mir direkt CDs bestellen“, betont Vogl. Er gehe dieser Tage zurück zu den Anfängen und betreibe sein Geschäft wie vor zwölf Jahren vom Wohnzimmer – My Home – aus: „Allein heute Vormittag haben mehrere Leute angerufen und nach CDs gefragt.“

Andreas Vogl persönlich trifft man also erst wieder nach Ende der Corona-Krise, entweder tagsüber im Geschäft am Universitätsplatz oder abends in den Foyers zum Großen Saal des Mozarteums oder der Festspielhäuser. Dort bietet der CD-Händler am Tresen jeweils ausgesuchte Aufnahmen passend zu den Programmen der jeweiligen Konzerte zum Verkauf an. Ob die Leute in der Pause oder nach dem Konzert tatsächlich aus spontaner Begeisterung CDs kaufen? „Durchaus“ bei „großen Namen“. Vogl nennt Buniatishvilli oder Capucon als Beispiele. „Grad beim internationalen Publikum merkt man, dass die Leute gerne eine CD mitnehmen wollen, besonders in Zusammenhang mit Autogrammen auf's Booklett. Manche lassen aber auch nur das Programmheft signieren...“

Tatsächlich organisiert Andreas Vogl in Abstimmung mit den Veranstaltern, Künstlern und Agenturen die Signierstunden nach den Konzerten: „Meine Auftgabe als Händler ist es, die Verbindung von Publikum, Künstler und Produkt direkt herzustellen. Machne Gäste kaufen die CD zum Nachwirken-Lassen – und krönen ihren Konzertabend vielleicht sogar mit dem I-Tüpfelchen eines Autorgramms und des persönlichen Kontakts mit dem Künstler.“ Und: „Einen Stream kann man nicht signieren...“

Personalkosten und Einnahmen relativierten sich zwar, betont Vogl, „aber es geht auch um das Herstellen des Bezugs des Künstlers zum Produkt CD und zum Publikum“. Es gebe ja auch die Schlange der wartenden Fans am Bühnenausgang. „Aber wenn die Schlange organisiert und angekündigt ist, ist das der Event nach dem Event.“

Gibt der Branchensprecher des Tonträgerhandels der Wirtschaftskammer für Österreich der CD langfristig eine Chance in Zeiten des Streamings? „Da muss man von einer offenen Zukunft ausgehen“, sagt Vogl vorsichtig. „Wir sind auf dem absteigenden Ast. Die Digitaliserung lässt sich nicht aufhalten.“ Auch ältere Kunden seien längst „internetaffin“. Dennoch sei die CD weiterhin relevant. „Immer wieder betonen Kunden, wie froh sie sind, dass es so ein Geschäft noch gibt.“

„Und die Amerikaner betrachten mich ohnehin als Museum.“ In den USA gebe es keine Läden mehr, erläutert der Experte: „Hilary Hahn verkauft ihre CDs in Europa, ist aber im eigenen Land auf CD nicht mehr präsent!“ Die Geigerin sei in den USA „noch viel berühmter, als bei uns“, aber dort seien keine Absatzmärkte für CDs mehr vorhanden. Ähnliches gelte, so Vogl, für Skandinavien oder Großbritannien. Dagegen sei im deutschsprachigen Raum, in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die CD in den Köpfen der Musikfreunde noch verhaftet. „Vielleicht weil in Wien, Berlin, München, Zürich oder Salzburg hochkulturelle Epizentren liegen?“

Ein unmittelbarer Zusammenhang, beobachtet in der jüngsten Zeit: Im Jänner gastierte das Orchestre National de France bei der Kulturvereinigung. Auf dem Programm stand unter anderem Nikolai Rimsky-Korsakovs Scheherazade: „Da kamen in den Tagen nach dem Konzert erstaunlich viele Leute mit dem Programmheft der Kulturvereinigung in der Hand zu mir ins Geschäft und wollten genau dieses Werk.“ Einspielungen mit anderen Orchestern und Dirigenten wurden akzeptiert. Sein Argument: „So wie es im Konzert war - live und zusammen mit zweitausend anderen Menschen - wird es ohnhin nie wieder.“

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Bilder: privat

 

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