STYRIARTE / BAROCKOPER
23/06/25 Die kaiserlichen Hochzeitsglocken läuteten, und zu einem solchen Anlass war natürlich auch eine Huldigungsoper ans Brautpaar gefragt. Antonio Draghi (1634/35-1700) hat sie komponiert. Das Zähneknirschen einiger Zuhörer mag bei der Uraufführung im Herbst 1673 beinah die Musik übertönt haben. Wie das?
Von Reinhard Kriechbaum
Leopold I., dessen erste Frau unglücklicherweise vom Pferd gestürzt war, musste eilends wieder heiraten, es war noch kein Thronfolger gezeugt. Also pfiff man aufs obligate Trauerjahr und feierte Hochzeit. Freilich nicht so auffällig in Wien, sondern etwas „vom Schuss“, in Graz.
Einige Intrigen waren zuvor in Gange, einige Höflinge waren nicht einverstanden mit des Kaisers Wahl, die auf die Erzherzogin Claudia Felizitas von Tirol gefallen war. Die höfischen Machenschaften verkleidete der Librettist der Hochtzeitsoper Gl'Incantesimi disciolti (Die aufgelösten Flüche) in ein allegorisches Spiel. Die Zuneigung (also der Kaiser), das Glück (die Braut) und ein Guter Rat bekommen es mit Lüge, Neid und Selbstsucht – für die Zeitgenossen deutlich zu identifizierende Hofschranzen – zu tun. Und diese geifern nicht nur, sondern haben auch Zauberkräfte. Glücklicherweise sind die Bösewichter dann doch nicht ganz eins, der Neid läutert sich und wird zur Vernunft. Womit einem frohen Ende nichts mehr im Wege steht.
Unter dem Titel Das verwunschene Glück wurde das Werk nun im Schloss Eggenberg (dort logierte einst die kaiserliche Braut) am ersten Styriarte-Wochenende vier Mal aufgeführt. Von Draghis Oper sind nur die Singstimmen, Generalbass und ein paar Stichnoten vom Orchester überliefert. Da gab's für Michael Hell, Leiter des Originalklangensembles Ārt House 17, also Dutzende Teile, in der Hauptsache Ritornelle, neu zu komponieren, was stil-gemäß gelungen ist. Die originale Ballettmusik zum Stück, komponiert vom damaligen Hofkapellmeister Johann Heinrich Schmelzer (dem Antonio Draghi später im Amt folgen sollte), ist ebenfalls verloren. Aber es fand sich genug wirkungsvolle Musik von Schmelzer und Zeitgenossen, zu denen sich nun gut und ausdauernd tanzen lässt.
Dass der unermüdliche Styriarte-Dramaturg Thomas Höft den Text übersetzt hat, ist ein gut gemeinter Schritt aufs Publikum zu. Einige wenige Arien werden dann doch auf Italienisch gesungen, und da wird ziemlich deutlich, was bei einem solchen Unterfangen verloren geht. Originalsprache mit Übertitelung wären dann doch die entschieden bessere Lösung.
Wie heutzutage szenisch umgehen mit dem Kräftemessen barocker Allegorien? Lilli Hartmann hat sich für jede der Gestalten eine Halbfigur ausgedacht, die aussieht wie eine tollkühne Mischung aus Deix und Arcimboldo. Es wird deutlich, dass wir es mit einer Art höfischer Farce zu tun haben. Vier Tänzerinnen halten sich diese Figuren vor den Körper, gelegentlich mutieren auch die neutral schwarz gekleideten Sängerinnen und Sänger zu Puppenspielern. Jedenfalls gibt es in der Choreographie von Mareike Franz (sie ist selbst eine der Balletteusen) ein beständiges reges Hin und Her von Tänzerinnen, Sängern und grellen Fetzenpuppen. Viele liebenswürdige Ideen. Die Augen werden fast überbeschäftigt in diesen anderthalb Stunden.
Keine Wünsche lässt das Sängerensemble offen. Die Sopranistin Johanna Rosa Falkinger als Glück darf vom ersten Moment an ihre sanft gerundeten Koloraturen perlen lassen, und der Tenor Julian Habermann als Zuneigung nicht weniger lyrisch seiner kaiserlichen Emphase Ausdruck geben. Dietrich Henschel als Guter Rat hat von eben diesem zunächst wenig bereit gegen den faulen Zauber der Bösewichter. Markus Schäfer (Tenor) ist eine höchst temperamentvolle und auch neben den Tänzerinnen spielfreudige Selbstsucht, Sophie Daneman (Sopran) ist die Lüge, Anna Manske (Mezzosopran) der Neid. Wehe, wenn man ins Visier der drei Geiderer gerät! Das Glück wird mit Blindheit geschlagen, Zuneigung und Guter Rat kurzzeitig versteinert. Die Vernunft (wieder Anna Manske) sorgt als Dea ex machina für einen guten Ausgang.
Bemerkenswert, dass Kaiser Leopold I. – einer von drei komponierenden Habsburger-Kaisern in der Barockzeit – selbst eine Arie beisteuerte für seine eigene Hochzeitsoper. Diese gilt logischerweise dem Glück, seine künftige Ehefrau war selbst eine gute Sängerin. In der Liebe zur Musik trafen sich die beiden. Es wurde eine glückliche Ehe.
Die Styriarte in Graz dauert bis 20. Juli – styriarte.com
Bilder: Styriarte / Nikola Milatovic