FESTSPIELE / WIENER PHILHARMONIKER / WELSER-MÖST

29/05/29 Anhebt die Zweite Weinberg mit geradezu neoklassischer Leichtigkeit. Geschrieben in nur wenigen Wochen zum Jahreswechsel 1945/46 führen Leichtigkeit und transparente Werkstruktur freilich ständig in die Irre eines Idylls, das immer nur um Haaresbreite vom Abgrund entfernt ist. Franz Welser-Möst und die Wiener Philharmoniker bewegen und begeistern mit Weinberg und Bruckner.

Heidemarie Klabacher

Auf dem Programm des letzten Wiener Philharmonischen Konzerts für diesen Festspielsommer standen Mieczysław Weinbergs Symphonie Nr. 2 op. 30 für Streichorchester und Anton Bruckners Symphonie Nr. 9 d-Moll WAB 109.

Am Rande des Abgrunds lebte Mieczysław Weinberg quasi sein ganzes Leben lang. Die Verfolgung durch die Nazis nach dem Einmarsch in Russland 1941 und dann den stalinistischen Terror überlebte der 1953 Verhaftete eher zufällig. Selbst ein Gnadengesuch von Schostakowitsch hat nichts gebracht, erst der Tod Stalins brachte rechtzeitig die Wendung.

Längst und endlich ist die Musik Mieczysław Weinbergs (1919-1996) auf den Konzertpodien angekommen. Seine handwerklich virtuose, vielschichtige und immer janusköpfige Musik begeistert in allen Gattungen von Lied und Kammermusik über die Filmmusik bis zur Oper. Von seinen 22 Symphonien könnte öfter eine gespielt werden. Umso mehr freute die Begegnung mit der Zweiten mit den Wiener Philharmonikern unter Franz Welser-Möst am Donnerstag (28.8.) im Großen Festspielhaus.

Schaurige Blicke hinab in den Abgrund und verzweifeltes Aufbäumen gingen in der grundsätzlich auf Opulenz angelegten Lesart von Franz Welser-Möst wie selbstverständlich aus den lieblich-heiteren Passagen hervor. So, dass sie entwecker schlagartig aufschrecken ließen oder mit unerbittlicher Konsequenz in der Dynamik verstörten. Das Ganze ohne Bläser wohlgemerkt. Die Streicher der Wiener Philharmoniker haben den raffinierten Satz Weinbergs, mit oftmals geteilten Stimmen oder vielfältigen Soundeffekten in höchsten Lagen, mit sagenhafter Energie musiziert. Mit vollem Bläsersatz „naturgemäß“ noch machtvoller waren die einschlägigen Passagen in Bruckners Neunter. Jenem „Torso“, der zur nachhaltigen Verstörung der Musikwissenschaft, mit einem dritten Satz Adagio – einem tumultösen Auf und Ab zwischen Vernichtung und Erlösung – langsam und feierlich verklingt. Auch diese Wiedergabe ein bejubeltes Ereignis – Sound vom Edelsten, Energie vom Gewaltigsten.

Das Konzert wird am Samstag (38.8.) wiederholt. Es wurde vom ORF aufgezeichnet und wird am 12. September um 20 Uhr auf Ö1 gesendet.
Bilder: SF / Marco Borrelli