Womöglich wird’s ein flotter Vierer!
GRAZ / OPER / COSI FAN TUTTE
12/03/24 Die beiden jungen Paare leben Haustür an Haustür. Guglielmo und Ferrando wirken so, als ob sie gerade im Garten Rasen gemäht hätten. Mozarts Cosi fan tutte im Grazer Opernhaus sieht fast aus wie eine amerikanische Soap opera, die das Leben der amerikanischen Middle class abbildet oder persifliert.
Von Reinhard Kriechbaum
Ein nettes, ganz lebensnahes und heutiges Setting hat sich die Schweizer Regisseurin Barbara-David Brüesch für die Cosi ausgedacht. Don Alfonso, der ungebetene Eindringling in diese fast spießige Bürgeridylle, hat leichtes Spiel, um die Fassade zerbröckeln zu lassen.
Aber erst mal sind Guglielmo und Ferrando damit beschäftigt, die offenbar gemeinsam erworbene Segeljolle aufzupolieren. Mit dieser werden sie dann auch bald losfahren – um als gelb-behelmte Handwerker mit Leiter, Saugglocke und Akkuschrauber gleich wieder anzurücken und der Verlobten des jeweils anderen den Hof zu machen. Schon das erste Liebeswerben im Badezimmer steckt voller urkomischer Pointen.
Alain Rappaport (Bühne) hat für die Partnertausch-Liebesprobe ein von allen Seiten einsichtiges Doppelhaus geschaffen. Die Bühne dreht sich und wir schauen abwechselnd ins Bad, in die Küche, ins Wohn- und ins Schlafzimmer. Offenbar haben die jungen Paare nicht nur ein gemeinsames Segelboot, sie teilen sich auch die Zugehfrau Despina. Dieser schmeißen die ob des angeblichen Soldaten-Einsatzes ihrer Gesponse derangierten jungen Frauen zwar das frugale Frühstück um die Ohren, aber so arg kann die Verzweiflung denn doch nicht sein. „Wie sich in einem Augenblick mein Schicksal wendete“, klagt Fiordiligi ein paar Szenen später und angelt sich ein Würstchen aus dem Gartengriller. Die Sorgen von denen möchte man haben...
Barbara-David Brüesch kratzt dann gut die Kurve vom burlesken, mit viel feinem Slapstick gewürzten Ton des ersten Aktes zu den Liebesverwirrungen, die die beiden Paare in den Seelenfesten erschüttern. Da teilen sich plötzlich die Doppelhaus-Hälften, wie um das Auseinanderklaffen aus Sein und Schein sichtbar zu machen.
Das Spieltempo wird deutlich zurückgenommen die Musik bekommt im Wortsinn mehr Raum. Und noch einmal wird der Hebel herumgerissen. Am Ende des Lieto fine – die Haus ist wieder zusammengeklappt, die gedeihliche Nachbarschaft wiederhergestellt – werden beide Paare ins Schlafzimmer stürmen und übermütig die Ehebetten aneinander rücken. Bahnt sich da ein flotter Vierer an? Dann sähe Don Alfonso mit seiner Treueprobe recht alt aus... Aber ist Don Alfonso überhaupt eine reale Figur? Oder ist er bloß Imagination des Unterbewussten, so imaginiert wie der Amor? Die Tänzerin Ann-Kathrin Adam schwebt aus luftigen Höhen herab und beobachtet, gelegentlich an der Seite des Don Alfonso, das Geschehen. Ihre Höhenflüge und ihr Spitzentanz machen optisch viel her.
Es dirigiert der Portugiese Dinis Sousa, den man auch schon von den Salzburger Festspielen kennt: 2023 ist er für die konzertante Aufführung von Berlioz' Les Troyens für John Eliot Gardiner eingesprungen. Er ist jetzt stellvertretender Dirigent des Monteverdi Choir and Orchestra. Ein Musiker, der also „historisch informiert“ ans Werk geht. Am Premierenabend hat es im Detail freilich noch geknirscht. Sousas Mozart-Bild ist geradlinig, manchmal kantig. Viele Einzelheiten kommen fast etwas vorlaut raus. Ted Black (Ferrando) hatte am Premierenabend alle Höhen und gab sich doch etwas zu zurückhaltend. Nikita Ivasechko (Guglielmo) wirkte selbstbewusster als der Tenor-Kollege. Corina Koller (Fiordiligi), Sofia Vinnik (Dorabella), Ekaterina Solunya (Despina), Wilfried Zelinka (Don Alfonso) – sängerisch ist die Aufführung grundsolide, die Meriten liegen eher in den ausgewogenen Ensembles als in den Einzelleistungen.
Aufführungen bis 5. April – oper-graz.buehnen-graz.com
Bilder: Oper Graz / Reinhard Winkler