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Ideologiekritik der Musikanten

FESTSPIELE / TETZLAFF / ANDSNES

02/08/17 Ein Wozzeck könnte in seinen Alpträumen dazu exerzieren. Subversiver kann komponierte Ideologiekritik nicht ausfallen. Ironischer gemeint sind Gattung und  Tonart „Sonate G-Dur“ in der ganzen Musikgeschichte nicht: Christian Tetzlaff und Leiv Ove Andsnes begeisterten mit der Sonate von Dmitri Schosakowitsch.

Von Heidemarie Klabacher

Zwischen den beiden Sonaten für Violine und Klavier von Leoš Janáček und Dmitri Schostakowitsch spielte Leif Ove Andsnes „Drei Klavierstücke“ D 946 von Franz Schubert. Über die gut kaschierten Abgründe dieser vollendet in sich geschlossenen Werke half der Pianist seinem Publikum mit betont weichem Sound hinweg. Umso zielgerichteter führte dagegen Christian Tetzlaff durch die vier Tanzsätze der „Partita für Violine Nr. 2 d-Moll“ BWV 1004 von Johann Sebastian Bach – um mit der legendären Ciaccona geradezu einen Aufmerksamkeits-Bann über den Großen Saal des Mozarteums zu legen. In Klangfarben aus Silber, Bronze oder Gold machte Tetzlaff die kontrapunktischen Strukturen des Monumentalwerks „anschaulich“: mit dem analysierenden Leuchtstift des Musikwissenschaftlers wie mit der tänzerischen Ungeniertheit des Erzmusikanten.

In der „Sonate für Violine und Klavier“ von Leoš Janáček ist dem Klavier die Rolle des Farbträgers zugeteilt, des verständnisvollen Verstärkers der kontinuierlich aufkochenden Emotionen. Ein paar hoffnungsvoll aufblühende Gedanken etwa in der Ballada oder launige Figuren im Finalsatz werden umgehend in die Schranken gewiesen von Angst und Verzweiflung. Pianist und Geiger haben einander diese immer schwerer und bedrohlicher werdenden Bälle im spannungsvollen Dialog zugespielt.

Höhepunkt des dritten Kammerkonzerts bei den Festspielen war dennoch die „Sonate für Violine und Klavier G-Dur“ op. 134 von Dmitri Schosakowitsch. Von einem klassisch akademischen Zwölfton-Motiv ausgehend, hat der erste Satz das Zeug zum Hexen-Sabbat. Christian Tetzlaff und Leif Ove Andsnes entwickelten denn auch – nach dem artigen Ein- und Durchführen des Hauptmotives – das zweite Thema als geisterhaften beängstigenden Marsch. Ein Wozzeck könnte in seinen Alpträumen dazu exerzieren. Subversiver kann komponierte Ideologiekritik nicht ausfallen. Ironischer gemeint sind Gattung und  Tonart „Sonate G-Dur“ in der ganzen Musikgeschichte nicht: Tetzlaff und Andsnes haben das zum Schaudern greifbar gemacht. Fast eine Erlösung waren danach die wohl brutalen, aber immerhin diesseitigen Schläge, die sie im virtuosen scherzoartigen Allegretto austeilten. Die 13 Variationen des dritten Satzes, eine Verneigung Dmitri Schosakowitschs vor Johann Sebastian Bach, entfalteten Tetzlaff und Andsnes als facettenreiche Charakterstücke – und ernteten Jubel in Sturmstärke.

Bild: Salzburger Festspiele/Marco Borrelli

 

 

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