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Ein treuer Diener seines Herrn

FESTSPIELE / DON GIOVANNI

19/08/11 Musiker und Dirigenten beklagen - sehr oft zu recht - dass in den Kritiken vor allem von der Regie die Rede ist und nur wenige Zeilen der Musik gelten. Im Falle des neu einstudierten „Don Giovanni“ ist von der Musik aber tatsächlich nur zu berichten, dass die Wiener Philharmoniker unter Yannick-Nézét-Séguin gespielt und namhafte Sängerinnen und Sänger gesungen haben.

Von Heidemarie Klabacher

Die Geschichte vom sterbenden Mann, der verzweifelt in seine letzten Lebensstunden alle Lust und Ewigkeit packen will, packt nur - und zwar ausschließlich - über die Regie und die Personenführung von Claus Guth. Der Regisseur hat, wie Figaro und Così, auch Don Giovanni noch einmal überarbeitet und mithin die drei Da Ponte-Opern Mozarts für den Festspielsommer 2011 in einen Quasi-Zyklus gegossen.

Der Wald steht noch. Das Dickicht ist ja schon bei der Wiederaufnahme im Vorjahr ein wenig gelichtet, das düstere Treiben mit plausiblerer Beleuchtung besser sichtbar gemacht worden. Dieser Wald nervt da und dort nach wie vor: Wenn das Bühnenorchester aus dem Off höfische Tänze spielt, wird das auch im dritten Anlauf nicht logischer. Menuett über Stock und Stein? Das irritiert aber letztlich wenig. Zu genial gewählt ist die Location, zu vielfältig die Assoziationen, durch das ständige Herum-Geirre der Protagonisten im Unterholz des Begehrens.

Der Wald also dreht sich. Immer wieder kommen die Abfallstücke der einzelnen Begegnungen vorbei gefahren, wie auf dem Ringelspiel: Das Kleid, das Donna Anna bei der Erstbegegnung mit dem Unbekannten voller Lust abgeworfen hat (Leporello wird es später finden und sich überstreifen für eine böse Persiflage). Die Getränkedosen. Die Tschicks sogar, wenn man genau schaut. Donna Anna vor allem raucht zum Ärger von Don Ottavio in Stress-Situationen - und wann hat sie keinen Stress? Ebenso Versatzstücke im Ringelspiel: Der blutbefleckte Brautschleier Zerlinas (nicht mit Jungfernblut freilich, sondern mit Blut aus der Bauchwunde des Verführers besudelt). Der Holzprügel, mit dem der Komtur erschlagen worden ist: Alle Dinge also bleiben in diesem „Wald“ präsent. Nur ein Holzfäller à la Siegmund Freud könnte da was lichten und richten. Sogar der Farnzweig, mit dem Don Giovanni der Braut Zerlina Schauer der Lust erregen konnte, wird von dieser später recycelt, um den beleidigten Masetto zu kirren. Und eine Choristin hat ihn ganz zum Schluss noch einmal in der Hand, nach einer Orgie, die nur Gezeichnete und Betrogene übrig gelassen hat.

Gibt es irgendwas Positives aus dem zwischenmenschlichen Bereich? Zerlina ist nach der Begegnung mit Don Giovanni ein Fall für die Psychiatrie (wie auch die Susanna in Claus Guths gnadenlosem Figaro). Donna Anna, sonst die Hehre, wird ihren Don Ottavio vermutlich heiraten und ihm und sich selbst das weitere Leben zu jener Hölle machen, in die Don Giovanni vorausgefahren ist.

Den leichtlebigen Edelmann hat wenigstens ein wahrhaft treuer Diener begleitet bis an den Rande jenes Grabes, das ihm der untote Komtur eigenhändig geschaufelt hat.

Damit sind wir bei den Sängern: Erwin Schrott singt den Leporello, wie Erwin Schrott den Leporello singt. Unangefochten von jedem Dirigat. Als Figaro hat er es nicht annähernd so bunt getrieben. Nur nervtötend das Gebaren als aufführungsfüllender Pausenclown? Nein, keineswegs. Zwischen Leporello und Don Giovanni gibt es Szenen von berührender Intimität.

Don Giovanni ist in der Inszenierung von Claus Guth von Anfang an ein Todgeweihter: Im Gluckloch zu Beginn sehen wir im Rückblick, wie er den Komtur mit dem Knüttel erschlägt und selber vom Sterbenden noch einen Bauchschuss bekommt... Wie liebevoll nun dieser aufdringliche Leporello versucht, seinem Herrn zu helfen, den Wahn vom ewigen und omnipotenten Leben noch ein wenig aufrechtzuerhalten, wissend, dass alle Liebesmüh vergeblich ist: Das berührt zutiefst. Berührt zumindest szenisch für kostbare Augeblicke und hat mit Musik oder Gesang auffallend wenig zu tun. Yannick-Nézét-Séguin hat sich schon im Vorjahr als Dirigent als zu leichtgewichtig für diese Aufgabe gezeigt. Auch Gerald Finley als mitreißender Don Giovanni hat wenig Chancen gegen die lieblosen, oft überhasteten, die Sänger mehr unterbutternden als tragenden Klänge aus dem Orchestergraben.

Von den Männern ist noch Joel Prieto als viel zu junger - sängerisch und darstellerisch - farbloser Don Ottavio zu erwähnen. Und Adam Plachetka als - stimmlich und darstellerisch - erfreulich präsenter Masetto. Franz-Josef Selig ist DER Komtur. Es gibt keinen anderen. Er steht über jedem Ungenügen.

Im Gegensatz zu den Frauen: Dorothea Röschmann als Donna Elvira bleibt befangen im Gewölk ihres exaltierten Vibratos. Christiane Karg ist eine stimmlich hervorragende Zerlina, die ebenfalls mit schauspielerischen Qualitäten punktet. Malin Byström als Donna Anna erringt erst mit Rezitativ und Arie „Crudele! A no, mio bene“ ganz zum Schluss stimmliche Präsenz: Viel zu wenige kostbare Minuten untermalt von einem Orchester mit wahrhaft Wiener Philharmonischen Qualitäten.

Bilder: SFS/ Monika Rittershaus


 

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