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Petruschkas trauriger Walzer

FESTSPIELE / WIENER PHILHARMONIKER / MARISS JANSONS, LANG LANG

21/08/11 Ein Sammler von Antiquitäten müsste man sein: Für den Leierkasten von Petruschkas Jahrmarkt, bestückt mit Wiener philharmonischen Pfeifen, täte man sofort eine schöne Stange Geld hinlegen. Kein Schnäppchen wahrscheinlich, aber eine Kostbarkeit!

Von Reinhard Kriechbaum

alt„Mohr im Hemd“ fiel einem auch spontan ein zu Mariss Jansons und der Wiener Philharmoniker Wiedergabe von Strawiskys „Petruschka“ am Wochenende (20./21.8.) zur Vormittagsstunde im Großen Festspielhaus: Die Art, wie sich der Mohr der von ihm angebeteten Ballerina nähert, die ungeschickten Schritte, das Aus-dem-Takt-Kommen – das würde längst als politisch höchst unkorrekt verdammt, wenn es nicht ein musikalisches Porträt wäre – gegen Musik waren die Zensoren – siehe Schostakowitsch, um bei einem weiteren Konzert-Thema der letzten Festspieltage zu bleiben – schon immer weitgehend machtlos. Gut so.

Was Mariss Jansons am Beispiel „Petruschka“ so wundersam zeigt: dass Strawinskys Puppen eben auch nur Menschen sind, und zwar besonders tiefsinnige. So war diese Lesart denn weit weg von knalligen Pointen, von oberflächlicher Effekthascherei. Petruschka hat hörbar gelitten wie ein Hund angesichts der Liebe, die da zwischen Mohr und Tänzerin aufflackert. Das war durchweht von der abgründigen Melancholie der Holzbläser.

altAuffallend: Auch für Franz Liszts Erstes Klavierkonzert hat Mariss Jansons äußerst behutsame Orchesterfarben entwickelt, sorgsam schattiert etwa das anfangs so heroisch daher stolzierende Thema im ersten Satz, das sich flugs in ein lyrisches Statement verwandelt und viele Modifikationen innerhalb dieser Extreme erfuhr. Ähnliches passiert ja auch im Quasi adagio-Abschnitt dem Motiv der Bässe, das von den Geigen auch im Handumdrehen verwandelt wird. Da konnte Lang Lang mit Brillanz, mit zupackender Energie und mit sanftester Schmeichelei zwar an den emotionalen Außenrändern mithalten, nicht aber in der differenzierten Mitte. Er hat einige Ideen in Richtung kantig-bündiger Ausformung des Soloparts, aber rechter Sinn im Zusammenspiel mit dem Orchester wollte sich nicht immer einstellen am Samstagvormittag. Bis das Triangel-Gebimmel, das Gespinst im Solopart und das Gehüpfe in den Streichern wirklich sinnvoll koordiniert wären, hätte es schon noch ein zwei Proben gebraucht. Aber freilich: Lang Lang ist ein Liszt-Virtuose von Rang, dem schließlich Jubel noch und noch entgegen brandete.

Und die Schlusspointe der Matinee: Bevor Mariss Jansons am Neujahrstag im Goldenen Saal den Walzer-Taktstock hebt, war in Salzburg erst mal Walzer-Destruktion angesagt: Ravels „La Valse“. Dieses Stück ist ja wie „Petruschka“ auf Initiative von Dhiagilew geschrieben worden. Mit „La Valse“ hatte der Choreograph freilich keine rechte Freude. Und auch in Ravels Walzer-Paraphrase setzte Mariss Jansons auf die feinen Töne, ließ er den philharmonischen Klang erblühen. Wir dürfen uns freuen auf die „echten“ Walzer am 1. Jänner 2012.

Bilder: SFS / Wolfgang Lienbacher

 

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