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Die Geschichten hinter dem Tanzschritt

FESTSPIELE / SOLISTENKONZERT YO YO MA

26/08/11 Wie tanzte man im biedermeierlichen Wien? Das kann man an Schuberts „Arpeggione“ ablesen. Der „Tango Nuevo“ in Buenos Aires? Dafür ist Astor Piazzolla allemal ein Kronzeuge. Und ein erzwungener, polit-konformer Tanz in Moskau zur Stalin-Zeit? Nachzuhören bei Schostakowitsch …

Von Reinhard Kriechbaum

altSo verquer die Zusammenstellung des Programms von Yo Yo Ma (Violoncello) und Kathryn Stott (Klavier) am Donnerstag (25.8.) im Haus für Mozart auf den ersten Blick erscheinen mochte – all diese Stücke erzählen etwas vom Tanzen. Natürlich auch jene von Egberto Gismonti, einem 1947 geborenen Brasilianer. Sie fallen stilistisch durch alle Schubladen, weil sie weder Jazz noch Folklore, weder Klassik-Pop noch Barmusik sind. Aber von allem etwas.

All diese Stücke weisen weit übers Tanzen hinaus. In Schuberts „Arpeggione“-Sonate, die Yo Yo Ma so spielt, als ob er tatsächlich eine „Guitarre d’amour“ in Händen hielte (ein anderer Name für das glücklose Streichinstrument), dürfen wir getrost ein wenig nachdenken über die Privatheit des Vormärz, über Hausmusik in der Metternich-Ära. Yo Yo Ma hat das Tänzerische fast ein wenig zurück genommen, und auch die Pianistin, mit der er seit einem Vierteljahrhundert konzertiert und in großer Vertrautheit interagiert, hat keine vorlauten Tanzrhythmen, sondern leise Delikatesse beigesteuert.

Die berühmte d-Moll-Sonate von Schostakowitsch ist eines jener Stücke, aus denen voreilige Hörer herauslesen wollten, der Komponist habe sich jetzt endgültig der Zensur gebeugt und der Kunst-Doktrin Stalins hundertprozentig entsprochen. Vielleicht haben sich ja sogar die Zensoren täuschen lassen. Aber dieses Scherzo! Es ist nicht zu überhören, dass da ein Aufsässiger zum Trepak ansetzt, einer, der in ein folkloristisches Rollenspiel hineingezwungen wird, dem er aber trotzig grimassierend und mit Ingrimm nachkommt. Das Largo: ein trauriger Traum von einer besseren Gegenwart – bei gleichzeitig begrabener Zukunft. Doch dann ein Allegro, das man in Yo Yo Mas Lesart als eine Parabel verstehen könnte, wie einer mit Bauernschläue und einer Portion Frechheit Freiräume erkauft.

Gut, dass da noch nicht Pause war, sondern „Le Grand Tango“ (eine Komposition von Astor Piazzolla für Mstislaw Rostropowitsch) angehängt wurde. Auch das ist eigentlich ein Stück mit latent durchklingender Aufsässigkeit: Das Cello beharrt mit Doppelgriffen beinah trotzig auf seiner Führungsposition, während das Klavier kantig und herb ebenfalls auf seiner Selbständigkeit insistiert.

Weiter mit dem vermeintlich stilistisch Halbseidenen von Egbert Gismondi zu einem kleinen Diebstahl: Aber die große Gestik von César Francks Violinsonate reizt natürlich auch Cellisten. Irgendwie ist Yo Yo Ma immer er selbst und doch schlägt er Stück um Stück einen je eigenen Tonfall an, mit leicht verändertem, immer elegantem Timbre. Da wird man hineingezogen in den starken Cello-Sog.

Hörfunkübertragung am 2. September um 19.30 Uhr in Ö1
Bild: SFS / Wolfgang Lienbacher 

 

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