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Frühlingsopfer mit sich selbst

FESTSPIELE / FAZIL SAY

29/08/11 Im letzten Solistenkonzert spielte Fazil Say am Sonntagabend (28.8.) im Haus für Mozart mit Fazil Say! Der türkische Meisterpianist trat mit einem elektronisch ausgerüsteten Bösendorfer-Flügel gegen sich selbst an in der vierhändigen Klavierversion von Strawinskys „Le Sacre du Printemps“.

Von Andreas Wegelin

Seine außergewöhnliche Interpretation eines Schlüsselwerk der Moderne hat Fazil Say bereits 2003 – damals im akustisch wesentlich ungünstigeren Schüttkasten in der Reihe der jungen Solisten – zum ersten Mal in Salzburg hören lassen. Es war ein ausdrücklicher Wunsch von Markus Hinterhäuser, dass Fazil Say seine Version des Sacre noch einmal bei den Festspielen aufführt, diesmal im sehr gut verkauften Haus für Mozart vor einem enthusiastischen Publikum, das schon vor der Pause mit Bravorufen nicht geizte.

Der Sacre ist für Fazil Say persönlich ein Schlüsselwerk, wie er im Programmheft und im Booklet zu seiner CD-Einspielung gesteht. Mit 19 Jahren, in einer persönlichen Krise, habe er ihn für sich entdeckt und fieberhaft nach einer Realisation auf seinem Instrument gesucht. Waren es bei der CD-Aufnahme 1999 mehrere übereinander gelegte Aufnahmen, liess er sich später von Bösendorfer einen Flügel bauen, der mit einem Chip versehen, das zweite Pianistenhändepaar automatisch wiedergibt. Bei diesem Werk mit vertrackten, ständig wechselnden Rhythmen ein besonders gewagtes Unterfangen! Einmal gestartet läuft der vorgängig aufgezeichnete Part des einen Pianisten unerbittlich und ohne, dass noch verzögert werden kann, ab. Beim live vor Publikum gespielten Part des zweiten Pianisten darf sich Say keine Hundertstelsekunde Konzentrationsschwäche erlauben.

Auch im ersten Teil des Konzertes gab es ein Feuerwerk an Farben und pianistischer Bravour. Auf dem Programm standen Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“ in der Originalfassung für Klavier. Alle Orchestrierungen dieses Werks stammen von fremder Hand, und es war deshalb interessant zu hören, wie viel Imaginationskraft bereits im Klavieroriginal steckt. Fazil Say nahm die erste Promenade mit großer Geste in Angriff, um dann das erste Bild Gnomen umso akzentuierter davon abheben zu können. Dieser Zwerg war in der Darstellung des Pianisten wirklich krummbeinig und grotesk mit den Ohren zu sehen. Jedes Tableau liess Fazil Say so vor den Augen der Zuhörer plastisch erstehen. Mit der zeitweise freien linken Hand gleichsam sein Klavierorchester dirigierend führte er den Konzertbesucher durch das imaginäre Museum bis zum großen Höhepunkt, an dem Mussorgsky beim Bohatyr-Tor in Kiew kunst- und effektvoll die Promenade mit der Bildbeschreibung verwebt und die geniale Komposition in Glockengeläut und Choralgesang enden lässt.

Fazil Say ist ein aussergewöhnlicher Meister am Klavier. Er geht in der dargebotenen Musik völlig auf. Je nach musikalischem Verlauf springt er dabei auch mal unvermittelt auf, dirigiert mit den Händen mit oder stampft – sehr passend im Sacre – die Rhythmen mit den Füssen mit.

Trotz der enormen Anstrengung und Konzentration gab es nach dem Sacre noch drei Zugaben, das eigene Werk „Black Earth“, eine wunderbar jazzige Bearbeitung von Gershwins „Summertime“ und - immer wieder gern in seiner freien aber einfühlsamen Darstellung gehört - „Ah je vous dirai Maman“, Mozarts Variationen über ein Kinderlied. Das Publikum dankte es ihm mit Standing Ovations.

Bild: SFS / Marco Borggreve

 

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