asdf
 

Schwarzbunt poetische Zauberwelt

FESTSPIELE / KINDERTHEATER / MOJO

10/08/12 Die junge Dame in der Sitzreihe hinter mir konnte sich gar nicht einkriegen. „Aaaarmes Baby!“ Einfach perdu. Weggezaubert. So ist das eben im Stück „Mojo“ des Theatre-Rites aus London: Immer muss man darauf gefasst sein, dass die Figuren, so wie sie kommen, auch wieder dahin sind.

Von Reinhard Kriechbaum

War also die Babypuppe weg, weil das „Mojo“ nicht funktioniert hat? Nein, sie ist ja selbst Mojo. Das Wort ist afrikanischen Ursprungs, meint Glücksbringer, Talisman – oder in übertragenem Sinn ein Alter Ego, eine Projektionsfigur, in der Wünsche und vielleicht auch Ängste verbildlicht werden. In der Produktion „Mojo“, dieser Tage zu den Salzburger Festspielen in die alte Saline auf der Halleiner Pernerinsel eingeladen, erkennen und erleben wir Mojo in immer neuen Varianten. Die Puppe wird größer im Verlauf der 75 Minuten, auf dem weißen Kugelkopf wachsen erst eine kleine Locke und dann gelbe Haarsträhnen. Und so wird aus dem zwischendurch schon auch mal pubertär trotzigen Ding eine zaundürre junge Dame, die ihr buntes menschliches Bühnenvölkchen, das sie führt und mit ihr interagiert, zum Disco-Tanz begleitet.

Dazwischen hat Mojo eine Schultüte bekommen und eine andere, größere Papiertüte ist in ein überdimensionales Schleckeis verwandelt worden. Dieselben Requisiten werden aber im Handumdrehen in einer Szene in eine Art (Paradies-)Vogel Strauß verwandelt.

Überhaupt: Die Kunst der Verwandlung! Mojo ist ja schon ins Bühnenleben getreten, indem einer der Musiker – Leo Altarelli – so etwas wie Luftblasen in den schwarzen Raum trompetet hat. Irgendwie ist auf zaubrische Art, hast du’s nicht gesehen,  Mojo entstanden, auf Gedanken-Flug gegangen als Pilotin auf einem geheimnisvoll davon schwebenden Glockenspiel. Die junge Dame ist musikalisch. Mit dem zweiten Musiker – Adriano Adewale – legt sie auf dem Xylophon tanzend eine Musiknummer voller Charme hin. Ihre Step-Tanzkünste sind beachtlich.

Sue Bruckmaster heißt die englische Kindertheater-Zauberin, die sich das mit ihrem Team aus Musikern/Komponisten, Schauspielern, Tänzern, Sängern und Puppenspielern ausgedacht hat. Dieses Theater verfolgt keine pädagogischen Absichten, sondern nimmt erst mal mit Poesie für sich ein. Ob Kinder (ab fünf Jahren) ähnliche Geschichten herauslesen oder  hineinprojizieren wie ein erwachsener Zuschauer? Oder ob sie die sympathisch un-hektischen (und damit: fast unzeitgemäßen) Metamorphosen auf ganz anderen Gedanken bringen? Vielleicht könnten die Mamis ihre Kleinen ja nach dem Theaterbesuch mal aushorchen.

Als Erwachsener wird man jedenfalls spontan gefangen von der feinen Choreographie, den liebevollen Charakteren der Puppen und Menschen. Und nicht zuletzt von der Imaginationskraft, von der Virtuosität, mit der zaubrische Effekte des Schwarzen Theaters eingesetzt werden, um den Dingen alle Erdschwere zu nehmen. Fluoreszierende Stäbe werden zu tanzenden Strichmännchen. Mojo selbst wächst und wächst. Betty heißt die schlaksige junge Puppendame laut Programmheft.

So ein Mojo als Glück bringendes Trösterlein hätte man an manchem Theaterabend zu gerne neben sich sitzen.

Weitere Aufführungen auf der Pernerinsel am Samstag (11.8.) um 14 und 18 Uhr, am Sonntag (12.8.) um 11 und 15 Uhr. – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: SF /Patrick Baldwin

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014