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… da unten die kühle Ruh

FESTSPIELE / LIEDERABEND GERHAHER, HUBER

12/08/12 Was für eine Tragödie! Vom fröhlichen Burschen, fast ein wenig eitel in seiner selbstbewussten Naivität, über den zornig kämpfenden Eifersüchtigen, hin zum farblos  Verlöschenden. Der Bariton Christian Gerhaher, am Klavier begleitet von Gerold Huber, öffnete neue Dimensionen in Schuberts Liederzyklus „Die schöne Müllerin“.

Von Heidemarie Klabacher

Was kann denn ein bekannter Sänger in einem so bekannten Werk um so vieles anders machen, als andere bekannte Sänger auch? Das Ganze langsamer angehen? Das in vielen Liedern deutlich langsamer genommene Tempo erklärt tatsächlich vieles, wenn auch längst nicht alles, von der geradezu verstörenden Wirkung des so vertrauten Liederkreises in der Interpretation von Christian Gerhaher und Gerold Huber.

In der Klavierbegleitung schien man durch diese – beinahe Harnoncourt’sche –Langsamkeit  so manche Einleitung, so manchen Übergang in die nächste Strophe, wie neu zu hören. Die feinen Melodie-Gedanken Schuberts scheinen selbst von anderen brillanten „Begleitern“ noch kaum einmal so deutlich nachvollziehbar ausgesponnen worden zu sein wie von Gerold Huber an diesem unvergesslichen Lied-Freitagmittag, der um 11.30 – welch’ seltsame Feierstunde - im Haus für Mozart begonnen hat.

Christian Gerhahers Wortdeutlichkeit ist sprichwörtlich. Die Programmhefte sind ausgegangen. Das wäre im Falle Christian Gerhahers auch bei einem Programm mit vollkommen unbekannten Liedern egal, man braucht keinen Text zum Mitlesen, erst recht nicht bei einem so bekannten Zyklus. Dennoch schien sogar der vertraute Text eine zusätzliche Tiefendimension zu bekommen. „Mühle“ und „Äuglein“ und „Rauschender Bach“ schienen tatsächlich nur mehr eine Art Folie zu sein, ein Schutzzaun (mit romantischen Genrebildern statt Werbeplakaten drauf), der den verstörenden Blick in den Abgrund absoluter Verzweiflung ein wenig verschleiern helfen soll.

Wie Christian Gerhaher auf dem Weg des Burschen vom Kraftmeier zum Verlöschenden schier unmerklich Stimmfarbe, Timbre, Intensität, Ausdruck veränderte! Dabei schien nichts aufgesetzt, nichts „gemacht“, sondern wie selbstverständlich zu strömen. Selbstverständlich auch, dass die stupende Technik Gerhahers keinen Unterschied merken lässt, ob eine Phrase in höchster Lage nun piano oder forte gestaltet wird. Die feinsten Wendungen – Schnörksel mit Tönsprüngen über fast eine Oktave, wie etwa im Lied „Der Neugierige“ – kommen so locker und leicht und gleichzeitig so intensiv und klar, wie schlichte Tonwiederholungen in einer mittleren Lage.

Ein Sittenbild aus dem evangelischen Pfarrhaus war das Lied „Am Feierabend“: Der Müller kommt daher, wie ein wohlmeinender Pastor, der seine Gemeinde zu loben hat, wünscht „allen eine gute Nacht“ - und schon im nächsten Augenblick geht die Ungeduld mit dem Buschen wieder durch: "Hätt ich tausend Arme zu rühren…" Wie perfide beiläufig die „Schöne Müllerin“ den Burschen im Lied „Tränenregen“ einfach sitzen lässt – das klang bei Gerhaher/Huber fast nach Heine. Das Lautenband streift im Lied "Pause" wie Geisterhauch über die Saiten und den Burschen "durchschaudert es" - das Publikum auch.

Bilder: SF / Silvia Lelli

 

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