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Peter Stein macht einen Luftsprung…

FESTSPIELE / NDR SINFONIEORCHESTER / ESCHENBACH

13/08/12 … aber nicht vor Freude, sondern aus Ekstase. Eine „feste, gut geführte Greisenstimme“ verlangt der Komponist - und die Festspiele engagieren prompt einen der größten Regisseure, der ein solcher Greis dann auch wieder nicht ist.

Von Heidemarie Klabacher

„Ich wandte mich und sah an alles Unrecht, das geschah unter der Sonne.“ So heißt es beim „Prediger Salomo“ – und so heißt auch das Werk von Bernd Alois Zimmermann, das für das Kulturprogramm der Olympischen Spiele (!) 1972 geschrieben und am 2. September 1972, also vor fast genau vierzig Jahren, in Kiel uraufgeführt wurde.

Mit „zeitgenössischer“ Musik hat diese „Ekklesiastische Aktion für zwei Sprecher, Bass-Solo und Orchester“ wenig zu tun. Eher wirkt das Ganze ein wenig aus der Zeit gerutscht, quasi Hangrutschung durch Bedeutungsschwere.

Heute präsentiert sich das Werk musikalisch - von den Strukturen und vom Tonmaterial her – traditionell-bieder, mit vielen Posaunensignalen und Paukenwirbeln, und inhaltlich bedeutungsschwer-schwülstig, zusammengestoppelt aus zentralen Passagen aus Dostojewskis „Großinquisitor“ und den Eingangsversen zu Kapitel vier im Buch „Prediger Salomo“ der Luther-Bibel (auf Katholisch ist das das Buch Kohelet).

„Klotzen, nicht kleckern“, mögen sich Festspiele gedacht - und als Sprecher Peter Stein und Ulrich Matthes sowie als Gesangsolisten Matthias Goerne engagiert haben. So steht also Peter Stein in der Felsenreitschule rechts auf der Zauberflöten-Terrasse und rezitiert Dostojewski und Ulrich Matthes links auf einem Podest und predigt aus dem Buch Prediger. Drei Soloposaunisten, zwei auf Podesten einer hoch oben in den Arkaden, bilden ein symbolhaftes Dreieck. Das Auge Gottes?

„Insgesamt ekstatisch!“, lautet eine Anweisung für den Sänger. Und insgesamt ekstatisch war die ganze Performance: Mit dick aufgetragener Bedeutungsschwere zelebrierte das NDR Sinfonieorchester unter Christoph Eschenbach die eigentlich recht asketische sparsam instrumentierte Musik von Bernd Alois Zimmermann. Die Botschaft: Da leidet/litt einer an der Welt. „Ja, und?“, möchte man nach dieser Erweckungsveranstaltung am antworten.

Schwerfällig, eingehüllt in undifferenzierte Klangwolken, kamen in der Lesart von Christoph Eschenbach auch die drei Orchesterstücke op. 6 von Alban Berg daher: keine Spur von den schillernden Orchesterfarben, den wienerisch-„mahlerischen“ Klängen und Rhythmen, auf denen diese Stücke u.a. basieren. Es gibt Werke, die sollten echt nur die Wiener Philharmoniker spielen dürfen.

Wirkliche Leichtigkeit im Orchesterpart zeichnete dafür die von Brahms, Webern, Goerne und Reger instrumentierten Schubert-Lieder aus: Keine Spur von naiv stapfenden Bässen im Lied „An Silvia“ (instrumentiert von einem unbekannten Autor), heiter und behutsam legten die Streicher dem Sänger eine wahre Frühlingswiese als Klangteppich zu Füßen. Matthias Goerne sang das so oft zu Tode getrampelte Lied fast durchgehend im Piano, samtweich und klangvoll: eine Huldigung, so wie Textdichter Shakespeare sie gemeint haben mag.

Schubertlieder instrumentieren heißt ja eigentlich, das Vollendete instrumentieren. Dennoch war dieser bunt zusammengewürfelte Liedblock mit Memmnon, Gruppe aus dem Tartarus, Der Wegweiser, Im Abendrot, Tränenregen und Erlkönig ein spannendes Lied-Erlebnis.

Bilder: Silvia Lelli

 

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