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Einfach eben ein Musiker

FESTSPIELE / HEINZ HOLLIGER, THOMAS ZEHETMAIR

14/08/12 Dirigent, Komponist, Oboist – in einem Bericht in einer deutschen Zeitung hieß es dieser Tage, Heinz Holliger sei nicht bloß Composer in residence bei den Festspielen, sondern „Musiker in residence“. Ein schönes, treffendes Kompliment für den 73jährigen.

Von Reinhard Kriechbaum

Die Konzerte der letzten Tage bestätigten sein Musiker-Sein aufs Rundeste. Er ist Instrumentalmusiker genug, so dass er als Komponist Dinge schreibt, die Kolleginnen und Kollegen liebend gerne spielen. In der Mozart-Matinee am Samstag und Sonntag (11./12.8.) beispielsweise sein Doppelkonzert für Violine und Viola mit dem anschaulichen Titel „Janus“. Die Dinge sind verdreht, wie man es bei einem janusköpfigen Wesen nicht anders erwartet. Die Bläsergruppe sitzt in der ersten Reihe, dahinter kommen erst die Streicher. Zwischen den Solisten (Thomas Zehetmair, Violine, und Ruth Kilius, Bratsche) und dem Kammerorchester entwickeln sich Dialoge sonder Zahl. Es ist eine immens klangsinnliche Komposition – und was den Erfindungsreichtum und die formale Vielgestaltigkeit angeht, zeugt das als Auftragswerk der Festspiele entstandene Stück nicht zuletzt von Selbstbewusstsein. Wer nimmt es schon so ohne weiteres mit Mozarts „Sinfonia concertante“ auf?

„Janus“ kommt bewegt und impulsiv daher, mit heftigem Pulsschlag, der manchmal zurückgenommen wird, aber immer spürbar bleibt und zumindest im Untergrund weitergrummelt. Dass er die sich bietenden Klangpotentiale nicht ausgeschöpft hätte, kann man Holliger ganz gewiss nicht nachsagen. Man hat den Eindruck, dass alle Optionen solistischer Art und in der Kombination von Gruppen ausgeschöpft sind. Zuletzt ein Rückzug aufs Geräusch: Die Solisten lassen ihre Bögen durch die Luft sausen, Hörner und Flöte antworten ebenfalls mit Luft, und die Harfenistin vorne links streicht mit einer Scheckkarte über die Saiten. Das macht gehörig Effekt. Fast zwingend endet das insgesamt surrend-bewegte, wirkungssichwere Stück in einer konzentriert-ruhevollen, farblich subtil „gemalten“ Szene.

Das also ist der Komponist Holliger. Der Musiker hat seine beiden Solisten und das Mozarteumorchester in der Matinee herausgefordert, indem er die „Sinfonia concertante“ KV 364 mit erheblichen Tempomodifikationen ausgestattet hat. Mehrmals durfte man in dieser Mittagsstunde aufhochen, auch in der Serenade „Eine kleine Nachtmusik“. Ein  sattsam bekanntes Stück? Holliger fand schon im Hauptthema Optionen zu dynamischer Abstufung. Alles andere als eine Petitesse, wenn man das so verantwortungsvoll und ganz unzweifelhaft gründlich geprobt angeht…

Begonnen hat die Matinee mit Luigi Dallapiccolas charmanter „Piccola musica notturna“ aus dem Jahr 1954: Käme ein Hörer auf die Idee, dass sich hinter diesem aparten, so gar nicht schummrigen Nachtstück pure Zwölftonmusik verbirgt?

Innerhalb der Reihe „Salzburg contemporary“ bilden dieser Tage Heinz Holliger und Thomas Zehetmair eine Art „Team“. Am Montag (13.8.) haben sie im Mozarteum ein überaus klug gebautes Programm hören lassen. „Zwiesprache“ hätte man es übertiteln können. Wieder Thomas Zehetmair und Ruth Kilius im Duett, und wieder Heinz Holliger mit der „Sinfonia concertante“ im Hinterkopf. Den beiden wollte er nämlich Zugabenstücke eben nach gemeinsamen Konzerten mit dem Mozart-Werk schreiben. Entstanden sind drei charaktervolle Kompositionen, leicht vielleicht im Duktus, aber von hoher Ernsthaftigkeit und bemerkenswertem Anspruch. „Pirouettes harmoniques“ drehen die beiden Streichinstrumente beispielsweise, und sie tun das ausschließlich in Flageolett-Tönen. Zu zweit ein „Cantique à six voix“? Funktioniert, wenn beide Instrumentalisten eifrig Doppelgriffe produzieren und obendrein dazu summen oder singen.

Querfeldein an diesem Abend Bezüge, Paraphrasen, Zitate, Ähnlichkeiten wenigstens: Hier Holligers Zweites Streichquartett, dort das erste Quartett von Schumann. Hier Mozarts Oboenquartett (wie fulminant bläst Holliger es doch, und wie flexibel ist tonlich das Zehetmair-Quartett!), dort ein Stück in gleicher Besetzung von Elliott Carter. Der amerikanische Methusalem seiner Zunft ist unterdessen sagenhafte 104 Jahre alt, und Holliger überraschte das Publikum mit einem kleinen Oboen-Solostück, das der immer noch agile Komponist ihm zum Jahreswechsel heuer geschickt hat. Holliger spielte das quasi en passant, während ein dienstbarer Geist Notenpulte und Stühle umstellte.

Und dann gab es noch eine Uraufführung in diesem Konzert, von Gustav Friedrichsohn, einem 1976 geborenen Letten, der bei Holliger Komposition studiert hat. Sein ruhiges Stück für Violine und Viola „From Darkness on a Shadowed Path“ beschreibt die Düsternis hmehr als anschaulich. Keine Angst, dass jemand übermütig geworden wäre bei der Uraufführung dieses Auftragswerks der Festspiele. Ein bisserl hat das nach etwas schal gewordenem Arvo-Pärt-Aufguss geklungen.

Bilder: SF / Silvia Lelli

 

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