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Wonnevoll in dunkel-schwarzem Samt

FESTSPIELE / LIEDERABEND GOERNE

16/08/12 Erst gegen Ende lichtete sich das Dunkel, hoben sich die Schatten. Liebeshoffnung und Lebensfreude blieben dennoch – zumindest in der Liedauswahl – bis zum Schluss leise und introvertiert. Vielleicht gerade deshalb lässt sich der Liederabend von Matthias Goerne mit dem letzten Wort des letzten Liedes beschreiben: Wonnevoll.

Von Heidemarie Klabacher

altKopfwäsche – und zwar als ein geistlich Lied bewandt - gab es am Anfang. Geht ja kein Mensch mehr in die Kirche, da schaden Ludwig van Beethovens „Sechs Lieder nach Gedichten von Gellert“ op. 48 und „Vier ernste Gesänge“ op. 121 von Johannes Brahms überhaupt nicht. „Denk, o Mensch, an deinen Tod! Säume nicht, denn eins ist Not“, heißt es in Christian Fürchtegott Gellerts Gedicht „Vom Tode“. Er schenkt seinen Lesern aber auch die Gewissheit, dass sich der liebe Gott – trotz allem – zu benehmen weiß: „Herr Deine Güte reicht so weit, so weit die Wolken gehen“. Insofern ist der Erbauungsdichter wesentlich gnädiger, als der biblische Prediger Salomo und sein Kollege Jesus Sirach, deren Texte Johannes Brahms seinen „Vier ernsten Gesängen“ zugrunde legte: Tatsächlich ist das tröstlichste der vier Lieder der Lobpreis auf den Tod, der für jenen das Beste ist, der nichts „Bessres zu hoffen noch zu erwarten hat“. Die Vertonung der beliebten Hochzeits-Lesung 1 Korinther 13 (Wenn ich mit Menschen und Engelszungen redete und hätte der Liebe nicht) klingt bei Brahms so dogmatisch, dass man sich erst recht fürchtet.

Zwischen diese beiden Liedblöcke – ein jeder vom Gehalt und vom Gewicht eines ganzen Gebirges - schob Matthias Goerne die „Drei Gesänge des Harfners“ D 478 von Franz Schubert. „Wer sich der Einsamkeit ergibt“, „Wer nie sein Brot mit Tränen aß“, „An die Türen will ich schleichen“: auch keine Schenkelklopfer.

Matthias Goerne hat die Lieder aufeinander folgen lassen, beinahe ohne selber Atem zu schöpfen dazwischen. Insgesamt hat er es geschafft, diese drei monumentalen Liedergruppen ohne „Applaus-Pausen“ durch zu singen. Das allein spricht deutlich von der ungeheuren Spannung, die im Saal aufzubauen ihm gelungen ist. Matthias Goerne wurde untadelig und unauffällig am Klavier begleitet von Christoph Eschenbach. In einzelnen Liedern (etwa „Wie bist du, meine Königin“ oder „Wie rafft’ ich mich auf in der Nacht“) wurde der Begleiter zum Mitgestalter.

Matthias Goernes Stimme scheint sich in letzter Zeit verändert zu haben. Ein leichtes Näseln, bei der Vokalfärbung oft ein wenig auffällig, ist verschwunden. Das Timbre dieser tiefen Baritonstimme ist noch farben- und facettenreicher geworden. Zwar wirkt die Stimme dadurch eine Spur weniger fokussiert, was sich da und dort auf die Textverständlichkeit auswirkt, aber der Schmelz im Klang ist umso überwältigender. Und zwar in der „sicheren“ Mittellage ebenso wie in hohen oder tiefen Lagen: In der Höhe wird der Klang nicht enger, in der Tiefe nicht gestreuter, im Piano nicht brüchiger, im Forte nicht knalliger. Dunkel-schwarzer Samt.

Im zweiten Teil lichtete sich das geistig-geistliche Dunkel ein wenig. Johannes Brahms stand nun endgültig im Mittelpunkt – allerdings nicht mit Liedern im volksliedhaften Ton, sondern mit hochemotionalen Gesängen, in denen auch Freude oder Glück nicht necksch-heiter, sondern eher schwerblütig abgehandelt werden: „Vier Lieder nach Gedichten von Heine“ sind zwar durchwegs versöhnliche Naturschilderungen, doch Gefahr und Abgrund lauern. Die  „Lieder und Gesänge“ op. 32 (auf gar nicht besonders geniale Texte von Daumer und Platen)  gipfeln im wundersamen Lied „Wie bist du, meine Königin“: Die wohl verhaltenste und bewegendste Liebeserklärung im Liedschaffen quer durch die Jahrhunderte. Matthias Goerne sang diese technisch hochanspruchsvolle Huldigung im Pianissimo mit überwältigendem Schmelz: Wonnevoll.

Bild: SF / Wolfgang Lienbacher

 

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