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Surf-Meisterschaft im Fegefeuer

FESTSPIELE / SOLISTENKONZERT POLLINI

20/08/12 Die letzten Sonaten. Das hat beinahe etwas Sakramentales - bei Schubert noch mehr, als bei Beethoven. „Der traut sich was“, ist die Reaktion auf die Ankündigung von Gesamt-Aufführungen solcher Schlüsselwerke. Wie berechtigt Skepsis sein kann, zeigte diesen Festspielsommer der Beginn eines Schubert-Zyklus. Ganz zu Recht „traute“ sich dagegen Maurizio Pollini.

Von Heidemarie Klabacher

altBeethovens letzte Klaviersonaten – op. 109 bis op. 111 – haben längst nicht den Nimbus eines musikalischen Testamentes, wie Schuberts Sonaten D 958 bis D 960. Eher konzentriert sich die Legendenbildung ganz auf op. 111: jene nur zweiteilige Sonate c-Moll, in deren zweiten Satz ein winzig kleines Motiv quasi die Schuld der Welt auf sich nehmen und in erschütternden Variationen stellvertretend für den Menschen sühnen und wieder gut machen muss.

Maurizio Pollini hat diese wundersame Arietta recht „klassisch“ gespielt. Er hat dabei die oft geradezu jazzig betonten rhythmischen Klippen und Klüfte auch nicht eingeebnet, sondern einfach mit größerer Geschmeidigkeit als gewohnt genommen. Das Ungebändigte, Ekstatische, ja durchaus Gewalttätige dieser wilden Läufe und Kaskaden war damit zwar weniger beängstigend, aber keineswegs weniger spannend: wohl weniger ruppig, weniger bedrohlich, doch von mitreißendem Drive geprägt. Eine Surf-Meisterschaft im Fegefeuer vielleicht - herausfordernd, auch nicht ungefährlich, aber sicheres Ufer und Erlösung aller Teilnehmer garantiert.

Wie findet der Pianist aus diesem tobenden Aufruhr der Elemente je wieder zurück zum unschuldigen Urmotiv? Das fragt man sich jedes Mal. Mauricio Pollini schien die Versöhnung im allgemeinen Tumult schon mitgedacht zu haben. Geradezu überirdisch funkeln ließ Pollini die letzten spannungsgeladenen Wendungen, die in den höchsten Lagen der Klaviatur perlend zurück zum Thema führen - bereichert um jenen berühmten Halbton-Seufzer, der als einziges an fernen Schmerz erinnert.

Ebenso gerne und aufmerksam lauschte man Pollinis Interpretation von op. 109 und 110. Besonders die ständigen Wechselspiele zwischen kontrapunktischer Exaltiertheit und klagendem Lied in der Sonate As-Dur op. 110 waren aufregend differenziert gestaltet.

Gar nicht verstanden hat man, dass sich Maurizio Pollini nach op. 111 zu Zugaben hat herausfordern lassen. Und das Publikum, das zum Husten, Rascheln und Rumpeln ins Konzert geht, versteht man ohnehin nicht.

Bild: SF / Wolfgang Lienbacher

 

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